Frosch-Anwandlungen in O. Roehlers „Selbstverfickung“
(Oskar Roehler, Selbstverfickung, Berlin, 2017)
(Christian Füller, Der Tabubrecher, taz online, 19.4.2013)
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Oskar Roehler stellt seinem Roman als eine Art Leitgedanken das Pseudozitat vorweg:
„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, stellte er fest, dass er nicht mehr linksliberal war. Und das war in dieser Gesellschaft schlimmer, als sich in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt zu haben.“ (im Original kursiv ohne Fettdruck)
Und in der Tat: Roehlers Roman ist die Geschichte einer Verwandlung, angelehnt an Franz Kafkas gleichnamigen, vor dem Ersten Weltkrieg (1912) verfassten und während des Ersten Weltkriegs (1915) publizierten Text.
Der Frontverlauf, mit dem wir es hier zu tun haben, ist der Aufstand Schauspieler (einzeln und in Masse: me too)
„Das Filmgeschäft […] bestand in der Regel aus Herdenvieh. Sie rotten sich gern zusammen, weil sie sonst mit ihrer Zeit nichts anzufangen wussten.“ (164)
vs. Regisseur
„Bei den Dreharbeiten selbst ging es immer nur darum, wer der Stärkere war.“ (143)
und der Regression letzteren – nicht wie bei Kafka in ein Insekt, sondern – in des Menschen liebsten Freund: einen Hund, den „Hund Bello“. (234) Der Epilog zum Roman schließt:
„Schon auf dem weitläufigen Park-Gelände der Charité […] brachte er [der Protagonist, Wiedergänger Gregor Samsa [„Nun gut, er war Gregor Samsa, eine Figur aus dem Kafka-Universum“(84)] sich auf alle viere und robbte anschließend durch die Friedrichstraße, die Oranienburger Straße, wo er auf mehrere Bekannte traf, die ihn erst ungläubig anstarrten, es dann aber für besser hielten, das Weite zu suchen, robbte weiter bis in die Wohnung, um sich anschließend von seiner geliebten Tochter per Hundekurier nach Sizilien expedieren zu lassen.“ (262)
Kurz und beiläufig werden auch Frosch-Vergleiche eingestreut. Frosch, das sind die un-süß anderen:
- Über Onkel Herbert heißt es:
„Die Nachmittage vertrieben sie [Gregor und sein „Spielplatzkumpel Andreas“] sich, indem sie sich gegenseitig Stöckchen zwischen die gespreizten Arschbacken schoben und »Onkel Herbert« für ein paar Groschen zusehen ließen, damit sich der harmlose Irre mit seiner eingedrückten Stirn und seinem breiten Froschmaul, dessen Oberlippe er zur Freude der Kinder bis über die Nasenspitze stülpen konnte, einen in seinen dreckigen Hosenlatz abwichsen konnte.“ (92f)
Ob Hosenlatz-Berühmtheit und Theodor-Heuß-Preisträger Daniel Cohn-Bendit da wohl auch einen abgekriegt hätte??
- Über die Samsa nervende Schauspielerin „Konstanze Lüders, auch genannt »das Luder«“, „eine echte Zicke“ (125), heißt es:
„Sie lag flach auf dem Bauch, die Beine wie ein Frosch von sich gestreckt. Ihr ganzer Körper wurde von ihrem schrecklichen Schluckauf erschüttert.“ (133)