Erdoğans „islamischer Putinismus“

Frog1(Nil Varol, Pressefreiheit in Gefahr (1/3), Kulturzeit, 26.4.2016)

Kulturzeit-Redaktörin Nil Banu Varol spricht im Beitrag u.a.:

„Der starke Mann [Erdoğan] hier arbeitet auch an einer neuen nationalen Identität: Islamisch, sultanesk. Kritiker sind Staatsfeinde. Staatsziel: Osmanischer Putinismus. Mit dem Umbau hat Erdoğan sich Zeit gelassen. Die EU-Annäherung seiner ersten Amtsjahre sollte das Militär an einem Putsch hindern und brachte liberalere Pressegesetze. […]

Wo es [heute] offiziell keine Zensur mehr gibt, lautet die Anklage Spionage. Das Verfassungsgericht hatte Dündars Untersuchungshaft für unrechtmäßig erklärt. Erdoğans Reaktion: „Das erkenne ich nicht an.“ […]

Wegen Beleidigung des Präsidenten wurde gerade auch der Chefredakteur der linken Zeitung BirGün zu 21 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte einen gut belegten Artikel über Erdoğans Korruption geschrieben. Barış İnce: „Die Lage der Pressefreiheit verschlimmert sich hier, weil der Präsident der Türkei das Land zunehmend in einen faschistischen Staat verwandelt.“

Medienmacht ist Meinungsmacht.“

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In memoriam Berkin Elvan

Frog1(Hasnain Kazim, Polizeigewalt bei Gezi-Protest: Türkischer Junge stirbt nach neun Monaten Koma, SPIEGEL online, 14.3.2014)

(Hasnain Kazim, Türkei: Erdogan nennt toten Jungen „Terrorist“, SPIEGEL online, 14.3.2014)

(Genf bleibt hart: Foto mit Erdogan-Kritik wird nicht entfernt, SRF online, 26.4.2016)

(Matthias Krupa, Löschen, wenn es brennt, ZEIT, 28.4.2016, 2)

Am 11.3.2014 stirbt Berkin Elvan, 15 Jahre, nach 269 Tagen im Koma.

„Er [Elvan] ist das achte Todesopfer der Gezi-Proteste vom Sommer 2013 – sieben Zivilisten und ein Polizist.“

Am Sonntag, 16.6.2013, machte sich der Junge „in aller Frühe auf den Weg, um Brot zu holen für das Frühstück. […]

Augenzeugen berichten, er sei vorsichtig gewesen, habe sich umgeschaut und die Menschenansammlungen gemieden. Als er um eine Straßenecke bog, stieß er auf Polizisten. Was die dachten, ob Worte fielen, all das lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Aber Beobachter berichten, dass einer von ihnen aus nur wenigen Metern Entfernung eine Tränengasgranate auf Berkin feuerte.

Der Junge fiel zu Boden, er blutete stark. [..] In den Tagen nach dem Vorfall las man in türkischen Zeitungen gelegentlich von dem Jungen. Dann hörten die Berichte auf. Ein Name wurde nie genannt. […]

„Der Staat deckt den Täter“

Nach Bekanntwerden von Berkins Tod kam es [… überall] in der Türkei […] zu Protesten [… Doch:]

Im Fall Berkin Elvan [..] gibt es nicht einmal Ermittlungen. Regierungschef Erdogan hatte selbst stolz verkündet, er habe der Polizei den Befehl gegeben, mit Härte gegen „die Terroristen“ vorzugehen, wie er die Demonstranten bezeichnete.“ (Kazim, 11.3.2014)

Am Freitag [14.3.2014] erwähnte er [Erdoğan] bei einem Wahlkampfauftritt in Gaziantep erstmals öffentlich den Namen des 15-jährigen Berkin Elvan [..].

Doch anstatt sein Mitgefühl auszudrücken, stieß er die Familie Elvan und Hunderttausende von Menschen, die um den Jungen trauern, vor den Kopf: Berkin Elvan sei „Mitglied einer terroristischen Organisation“ gewesen, sagte Erdogan.
Soweit die Vorgeschichte. Nun also erinnert
Demir Sönmez, der kurdisch-armenische Wurzeln hat, [in] einer Ausstellung mit 58 Fotografien auf der Place des Nations vor dem Sitz der Vereinten Nationen“ (SRF)
u.a. auch an Elvan.

«Ich heisse Berkin Elvan. Die Polizei hat mich auf Befehl des türkischen Ministerpräsidenten getötet.» Dieser Text ist auf einer Fotografie zu lesen, die derzeit in Genf im Rahmen einer Ausstellung über Demonstrationen gezeigt wird. Dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist das Bild ein Dorn im Auge. Er forderte unmissverständlich, dass die Fotografie entfernt wird. Doch davon will die Genfer Regierung nichts wissen: Sie stellt sich hinter die Macher der Ausstellung, wie der zuständige Stadtrat nun gegenüber «10vor10» sagt.

«Genf wird sich von gar keinem Land beeinflussen lassen. Genf und die Schweiz stehen für die Meinungsäusserungsfreiheit ein.“ (SRF; im Original keine Hervorhebungen)

Ja, Frau Merkel, so souverän kann man/frau auch reagieren…

Besonders fatal an unser Muttis Kotau ist, dass sie Deutschland als erpressbar hinstellt. Matthias Krupa hat Recht: Die Türkei ist „gerade dabei ihre Macht zu testen“. —

Tja, da kann/frau wohl nur sagen: Test nicht bestanden, Frau Merkel!

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Erdoğan gegen ‚Academics for Peace‘

Frog1(Academicians for Peace,

Wir, die Akademiker/innen und Wissenschaftler/innen dieses Landes werden nicht Teil dieses Verbrechens sein!, 10.1.2016)

(Academics for Peace, Call for International Academic Observers to the Trial against the Academics for Peace, Istanbul, 22nd April 2016, 20.4.2016)

(Internationaler Aufruf an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dem Prozess gegen „Academics for Peace“ am 22. April 2016 in Istanbul beizuwohnen, 19.4.2016)

(Oluk oluk kan akacak diyen Peker çark etti, Milliyet online, 12.10.2015)

(Didem Derya Özdemir Kaya, Academics for Peace call for solidarity, change.org, 13.1.2016)

(Human Rights Watch, Turkey: Academics Jailed For Signing Petition, 16.3.2016)

(Anant Agarwala, Ist sie eine Volksverräterin?, ZEIT online, 22.4.2016)


Dass Merkels Schatziputzi Erdoğan nicht nur gegen unliebsame Journalisten und Schmähkritik-Rezitierer vorgeht, zeigt die Verfolgung unliebsamer Akademiker. Ihr Vergehen: Sie nennen den  „Kampf gegen die PKK“ – der gern auch in deutschen Büttel-Medien so tituliert wird – das was er in Wahrheit ist: Krieg, und fordern seine Beendigung. — Was lernen wir daraus? Auch wer für Frieden und gegen Bürgerkrieg ist und dafür demonstriert, lebt in der Türkei gefährlich.

But, Demanding Peace is no Crime!“ (Academicians for Peace) /

„Es ist kein Verbrechen, für Frieden einzustehen!“ (Translate for Justice)

Oder doch?? Für Sie schon, Frau Merkel??

Wie, bitte, soll, man jemanden, der solches anordnet (siehe unten) überhaupt beleidigen können? Was ist das für eine Majestät, die Ihnen plötzlich so ans Herz gewachsen ist, Frau Merkel?? — Pfui Teufel, schämen Sie sich!!

Hier ein paar Fakten und Zahlen:

„In the face of the ongoing civil war in the Kurdish region of the country, 1,128 academics from 89 universities in Turkey and over 355 academics and researchers from abroad […] have signed a petition calling on the Turkish state to resume peace talks. […]

President Erdogan made a speech which focused on Academics for Peace much more than it did on the bombing attack. He called Academics for Peace „terrorist supporters“ [link .]

Today, racist mafia leader [und ErdoğanUnterstützer] Sedat Peker threatened Academics for Peace saying „we will spill their blood and we will take a blood bath with it“ [link …] this person made a similar speech before the last elections in a rally he organised to garner support for the ruling party AKP. Soon after his speech not only the civil war in the Kurdish region escalated, but also the Ankara Massacre [10.10.2015] was committed.“ (Kaya, im Original keine Hervorhebungen)

Kurz vor dem Anschlag und unter Bezug auf die Friedensdemonstration in Ankara sprach Sedat Peker (zu Beginn die rechte Hand zum Gruß der Grauen Wölfe erhoben) auf einer AKP-Kundgebung in Rize: „Blut wird fließen in Strömen.“

‚Oluk oluk kan akacak‘ sözleriyle büyük tepki çeken Peker, açıklamasında „Mitinginde yaptığım konuşmanın bir bölümü bu olayı kastediyormuşum gibi sosyal medyada kullanan zavallılara gerçekten acıyorum“ dedi. […]

Konuyla ilgili açıklama yapan Sedat Peker, “Ankara’da Barış eylemine karşı yapılan dünyadaki en hain saldırılardan biri olan bu bombalı saldırıyı, bildiğim tüm kötü kelimelerle lanetliyorum” dedi. (Milliyet; im Original keine Hervorhebungen)

Übrigens, Frau Merkel, sehr hübsch ist der letzte Halbsatz letzteren Zitats. Extra für Sie hier die wortwörtliche Übersetzung: „Ich verfluche sie [die Friedensaktivisten] mit allen schlimmen Wörtern, die ich kenne“. Was Böhmermann nicht darf: Peker ist es gestattet!

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt… Nicht wahr, Frau Merkel??

Doch zurück zu den akademischen Friedensterroristen.

„Gegen alle Unterzeichner der Petition wird ermittelt. 68 Wissenschaftler wurden laut den Academics for Peace bereits entlassen oder suspendiert, 38 wurden vorübergehend festgenommen, vier von ihnen sitzen im Gefängnis„: (Agarwala; im Original keine Hervorhebungen)

Esra Mungan Gürsoy, Meral Camcı, Kıvanç Ersoy und Muzaffer Kaya. Ihr zusätzliches Vergehen: Sie bekräftigten

„die Position der Gruppierung Mitte März auf einer Pressekonferenz noch einmal“. (Agarwala)

Doch was soll man von einem Staat erwarten, der nicht davor zurückschreckt, selbst politisch eher unbedarfte Jugendliche als Terroristen zu denunzieren (Fall Berkin Elvan) …

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EuGH rügt Diskriminierung der Aleviten in der Türkei

Frog1(Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Türkei diskriminiert Aleviten, SPIEGEL online, 26.4.2016)

(Ulrich Amling, Völkermord, bitte löschen, TAGESSPIEGEL online, 25.4.2016)

(Rücksicht auf Türkei: Grüne ziehen Antrag zu Völkermord in Armenien zurück, SPIEGEL online, 25.2.2016)

Die 20 Millionen Aleviten in der Türkei sind schlechter gestellt als die Sunniten – das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte festgestellt. Nun muss Ankara die Lage der Gläubigen verbessern.“ (Spiegel)

Mal sehen, was sich der Sultan zu den Aleviten nun einfallen lässt…

Ob er wohl in Brüssel vorstellig wird?? Wie jüngst unter Bezug auf die Armenier anlässlich von Konzerten der Dresdner Sinfoniker:

Die Ständige Vertretung der Türkei bei der EU verlangt von der [Europäischen] Kommission, die Förderung eines Konzertprojekts zu stoppen – und die Beschreibung aus dem Internet zu tilgen. Betroffen ist eine europäische Koproduktion der Dresdner Sinfoniker mit Musikern aus der Türkei, Armenien, den ehemaligen jugoslawischen Staaten und Deutschland.

Sie greift eines der letzten Tabus des 20. Jahrhunderts auf, den ersten Völkermord, dem schreckliche folgen sollten. „Aghet“ heißt Katastrophe – und nichts anderes war der Genozid an den Armeniern, der vor 101 Jahren begann und bis zu 1,5 Millionen Menschen das Leben kostete.“ (Tagesspiegel; im Original kein Fettdruck)

Und man/frau sollte nicht vergessen: Der Möchtegernsultan zu Ankara ist das Schatziputzi unserer Kanzlerin. Doch mit ihrer devoten Haltung ist sie nicht allein:

Rücksicht auf Türkei: Grüne ziehen Antrag zu Völkermord in Armenien zurück“

Unübertroffen aber ist Merkel – bislang jedenfalls – in der Radikalität ihrer Position.

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Böhmermann schmäht die Queen – und der „gefällt ’s“

Frog1(Karl Sack-Reis, Böhmermann beleidigt Queen Elizabeth zu ihrem 90., WELT online, 21.4.2016)

Jan Böhmermann hat wieder zugeschlagen. Er wollte diesmal eine richtige Majestät beleidigen und suchte sich dazu die Queen-Oma aus.

„In dem Gedicht, das ähnlich wie das juristisch umstrittene Poem auf den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan [m Original nicht hervorgehoben] mit den Worten „Sackdoof, feige und verklemmt“ beginnt, teilt Böhmermann ordentlich gegen die Queen aus.

Unter anderem unterstellt er Elizabeth, dass ihr „Gelöt schlimm nach Fish and Chips“ stinke und sie regelmäßig Unzucht mit „hundert Corgis“ treibe. Sie sei eine Frau, „die Mädchen schlägt/ und dabei Gummimaske trägt“, reimt der Satiriker und dichtet der Queen zudem an, dass ihr Enkel immer mal wieder Nazi-Uniformen anziehe.

Böhmermann will endlich eine richtige Majestät

Böhmermann selbst begründet sein erneutes Schmähgedicht damit, dass jetzt ohnehin alles egal sei und er nun wenigstens wegen echter Majestätsbeleidigung angeklagt werden könne, solange es den Paragrafen im deutschen Gesetzbuch noch gebe. Außerdem heiße seine Sendung ja auch „Neo Magazin Royale“.

Es wäre zweifellos ein Ritterschlag für den Satiriker. Aber ob es dazu kommt, ist allerdings einigermaßen unsicher.

[Und wie reagiert das Königshaus??]

Englisches Königshaus reagiert

Das über das Gedicht informierte englische Königshaus ließ jedenfalls ausrichten, dass sich die Queen sehr über den lyrischen Erguss freue – er beschreibe das Leben von Elizabeth „ausgesprochen liebevoll und realitätsnah“.“

Souverän, gelassen und mit britischem Humor:

Ja, so kann man/frau seine Pseudomajestät Sultan Tayyip I auch vorführen !!

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Verwaltungsgericht Berlin erlässt Rezitationsverbot von Böhmermanns „Gedicht“

Frog1(Verwaltungsgericht Berlin, „Schmähkritik“ vor türkischer Botschaft nicht erlaubt (Nr. 15/2016), 15.4.2016)

(Daniel Godeck, Keine Ziegendemo vor türkischer Botschaft, TAGESSPIEGEL online, 15.4.2016)

(Böhmermann-Gedicht zitiert: Polizei geht gegen Berliner Piratenchef vor, SPIEGEL online, 23.4.2016)

„Pressemitteilung vom 15.04.2016

Bei einer Demonstration vor der türkischen Botschaft darf das Gedicht „Schmähkritik“ weder gezeigt noch rezitiert werden. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin entschieden.

Der Antragsteller [Paul Brandenburg und Freunde] beabsichtigt unter dem Motto „Ziegendemo gegen Beleidigung“ eine Versammlung vor dem Grundstück der türkischen Botschaft. Es sei geplant, dass die Teilnehmer der Kundgebung Ziegenmasken oder Kopftücher trügen und „künstlerische Schrifttafeln“ vor sich aufstellten. Auf den Schildern sollten Teile des Gedichts mit dem Titel „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann abgedruckt werden.

Der Polizeipräsident als Versammlungsbehörde untersagte das öffentliche Zeigen und Rezitieren des Gedichts „Schmähkritik“ oder einzelner Textpassagen daraus, weil dies geeignet sei, den Verdacht einer Straftat zu begründen. Außerdem hätten die Formulierungen einen grob ehrverletzenden Charakter.

Das Verwaltungsgericht hat die versammlungsrechtliche Auflage im Ergebnis bestätigt, ohne eine Aussage über die Strafbarkeit des Handelns von Jan Böhmermann zu treffen.

[Immerhin: Das Gericht stellt klar, dass Böhmermanns Gedicht als Gesamtkonzept Kunst sei:]

Die Satire von Böhmermann zeichne sich durch eine distanzierende Einbettung in einen „quasi-edukatorischen Gesamtkontext“ [sehr hübsch formuliert!] aus, um so die Grenzen der Meinungsfreiheit zu verdeutlichen.

[Für Auszüge aus dem Gedicht gelte das aber nicht:]

Im Gegensatz dazu erfülle die isolierte Zitierung des Gedichts die Voraussetzungen einer beleidigenden Schmähkritik. In diesem Fall gehe der Persönlichkeitsschutz der Meinungsfreiheit vor. Trotz der öffentlichen Diskussion über den Beitrag von Jan Böhmermann werde ein unbefangener Dritter, der die mit Ziegenmasken auftretenden Versammlungsteilnehmer und die Texttafeln wahrnehme, dies nicht als eine zulässige Form der Meinungsäußerung verstehen.

Dem Antragsteller steht gegen den Beschluss die Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu.

Beschluss der 1. Kammer vom 14. April 2016 (VG 1 L 268.16)“ (im Original keine Hervorhebungen)

Folglich droht Provokateur Bruno Kramm nun Anklage:

„Die Rechtslage ist eindeutig: Das Berliner Verwaltungsgericht verfügte bereits Mitte April [siehe oben], dass das Gedicht „Schmähkritik“ von Jan Böhmermann nicht vor der türkischen Botschaft gezeigt und zitiert werden darf. Piraten-Landeschef Bruno Kramm tat es trotzdem – im Rahmen einer Demonstration von rund 20 Menschen für Meinungs- und Pressefreiheit am vergangenen Freitag [22.4.2016].“

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Warum Erdoğan Journalisten weg-/aussperren lässt??

Frog1(Alevitische Gemeinde Deutschland, Pressemitteilung: Ein Aufruf der Aleviten in Maraş, 8.4.2016)

(Oliver Mayer-Rüth I, Lobende Worte für schwierigen Partner tagesschau.de, 23.4.2016)

(Oliver Mayer-Rüth II, Die vermeintlich heile Flüchtlingswelt, tagesschau.de, 23.4.2016)

(Mirjam Schmitt u. Michael Fischer, Beleidigter Erdogan: Gar nicht lustig, Frankfurter Neue Presse online, 30.3.2016)

In all den

„seit Erdogans Wahl zum Staatspräsidenten seit August 2014 angestrengten mehr als 1800 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung“ (Mirjam Schmitt u. Michael Fischer; im Original keine Hervorhebung)

geht nur vordergründig um persönliche Beleidigung. Beleidigung ist nur ein Vorwand, um die verbliebenen Rektionsfähigkeiten der Gegner auszuloten und diese immer weiter einzuengen. In Wirklichkeit geht es um Machtkonsolidierung und Gleichschaltung. Die AKP ist dabei, den Staatsapparat zu unterwandern, den tiefen Staat, der sie einst bedrohte, nach eigenen Vorstellungen umzugestalten, neu auszurichten und immer weiter auszuweiten. Verhaftungen,  Kriegshandlungen, Anschläge, Selbstmordattentate, Kundgebungen, Pressekonferenzen sind Phänomene der Oberfläche. Viel gravierender ist die aus der Tiefe kommende systematische: islamistische Indoktrination. Säuberungen nicht ausgeschlossen.

Besonders bedroht fühlen sich derzeit – wieder mal !! – die alevitischen Mitbürger:

Die AKP-Regierung steht davor, neue Pogrome vorzubereiten. Das AKP-Regime, das bereits durch ihre wohl bewusste und systematische Homogenisierungs- und Assimilierungspolitik religiöser Minderheiten bekannt ist, betreibt schon lange eine Politik des Machterhalts und Regierens durch Marginalisierung und Vertreibung.

Das Pogrom an Aleviten in Maraş im Jahre 1978 ereignete sich gänzlich vor den Augen des Staates. Dieses Blutvergießen kostete hunderten Menschen das Leben.

[Wenn sich heute dies in abgeriegelten Bezirken – in deutschen Medien euphemistisch als Kampf gegen die PKK bezeichnet – unter Ausschluss westlicher Medien und kritischer Journalisten vollzieht: Wer könnte dann noch darüber berichten?? Das ist der Grund, warum kritische einheimische Journalisten weg- und ausländische ausgesperrt werden.]

Viele sind seit dem schwerstbehindert und Abertausende mussten ihre Heimat, ihre Umgebung und ihr bisheriges Leben aufgeben und hinter sich lassen. Die Aleviten in Maraş sind vor allem vor dem Hintergrund dieser Gräueltaten noch immer schwer traumatisiert.

[Ja, liebe Gutmenschen: Erdoğan war nie ein Reformer! Er war immer schon ein Hassprediger! Für ihn gibt es nur eine Religion: Den sunnitischen Islam. Alle Andersgläubigen sind entweder Ungläubige oder schlimmer noch: Abtrünnige.]

Angst ist deswegen ihr ständiger Begleiter. Erdoğans AKP, die oppositionelle Gruppen in Syrien, wie bspw. die Al-Nusra-Front oder den IS, unter anderem durch Waffenlieferung unterstützt,

[gefördert durch die unheilige War on terror Allianz Obama-Erdoğan, öffentlich gemacht u.a. durch Can Dündar und Erdem Gül, die der Sultan seitdem gerichtlich verfolgen lässt]

bringt sowohl das ethno-soziale als auch das religiöse Gefüge aus dem Gleichgewicht.

Letzteres vollzieht sich unter dem Deckmantel der Unterbringung von islamistischen Anhängern in Flüchtlingscamps. In Maraş, wo auch viele alevitische Dörfer beheimatet sind, werden systematisch und ganz bewusst Flüchtlingscamps errichtet, in denen Dschihadisten untergebracht werden.

Diese Dschihadisten, sind diejenigen, die vor Kurzem in sozialen Medien und auch ganz öffentlich verlautbart haben: „Sobald wir unsere Mission in Syrien beenden, sind die Aleviten in der Türkei an der Reihe.“ Das an die Provinz Maraş angebundene alevitische Dorf Terolar ist angesichts dieser Gefahrenlage besonders in Aufruhr, weil sie große Angst vor der islamistischen Gefahr haben. Sie erhoffen sich durch den Widerstand gegen die geplanten Flüchtlingscamps in den alevitischen Dörfern, ihren Lebensraum und gar ihr Leben zu schützen.“ (Alevitische Gemeinde; im Original keine Hervorhebungen)

(Siehe auch EuGH rügt Diskriminierung der Aleviten in der Türkei)

Und was macht die Kanzlerin?? — Sie reist ostentativ in die Region, um selbstgefällig im Beisein des Ministerpräsidenten Davutoğlu verlautbaren zu können: Schaut her! Alles in Ordnung! Es lebe die heile Welt:

Kanzlerin Merkel wird bei ihrem Türkei-Besuch unter anderem das Flüchtlingscamp in Gaziantep besuchen – ein Vorzeigelager. Bilder, die der türkischen Regierung [und der Gutmenschfraktion in Deutschland??] gefallen dürften. Merkel wird wohl jede Provokation in Richtung [ihres Schatziputzi] Erdogan vermeiden.(Mayer-Rüth, I)

Und was brachte der Besuch von unser Mutti??

„Am Nachmittag hatten Merkel, Tusk und Vize-EU-Kommissionspräsident Frans Timmermans das Flüchtlingslager Nizip 2 in der Nähe von Gaziantep besucht, in dem nach türkischen Angaben 5000 Menschen leben, unter ihnen 1900 Kinder. Ein großes Banner über dem Eingang zum Flüchtlingslager trug die Aufschrift „Willkommen in der Türkei, dem Land, das die meisten Flüchtlinge der Welt aufnimmt“.

Merkel weihte außerdem zusammen mit Davutoglu ein mit EU-Geldern finanziertes Kinderschutzzentrum in Gaziantep ein und sprach in einem bunt geschmückten Klassenraum mit Flüchtlingskindern.“ (Mayer-Rüth, II)

Wie toll!! Wie süß!!

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Merkels Türkei-Deal: Droht statt Flüchtlings- nun die Türken-Invasion?

Frog1(Christoph B. Schiltz, Der Merkel-Deal funktioniert. Doch die Zerreißprobe droht, WELT online, 21.4.2016)

(Nâzım Hikmet, Die Luft ist schwer wie Blei, Hava Kurşun Gibi Ağır, Gedichte, Übersetzt von Helga Dağyeli-Bohne u. Yıldırım Dağyeli, Frankfurt a.M., 21993)

„Brüssel paradox: Einerseits zeigt der EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei Wirkung, weil die Zahl der Flüchtlinge, die auf illegalem Weg nach Griechenland kommen, drastisch sinkt. Andererseits gerät die gesamte Vereinbarung zwischen Brüssel und Ankara immer mehr in schweres Fahrwasser: Die türkische Regierung drängt auf Visumfreiheit für 80 Millionen Türken ab Juni.

„Falls nicht, kann natürlich niemand erwarten, dass die Türkei sich an ihre Verpflichtungen hält“, sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Damit deutet er an, dass Ankara die Schleusen für Flüchtlinge nach Europa bald auch wieder öffnen kann und zugleich keine Migranten aus Griechenland mehr zurücknimmt.“ (im Original keine Hervorhebungen)

Ganz prima !! Damit hätte die Türkei endlich erreicht, was sie seit ewigen Zeiten anstrebt. — Merkel, wir danken Dir! Merkel, wir lieben Dich! —

Wie sagte der einst ins sowjetrussische Exil geflohene Dichter Nâzım Hikmet im Gedicht Dâvet / Einladung !! (1947) so schön:

„Dörtnala gelip Uzak Asyadan / Akdenize bir kısrak başı gibi uzanan / bu memleket, bizim.“ (110)

„Dieses Land, das im Galopp aus dem fernen Asien kam / und sich wie ein Stutenkopf ins Mittelmeer streckt / dieses Land ist unser.“ (Übersetzung: Dağyeli-Bohne, 111)

… als ob frau die Türkenwanderung am Mittelmeer (je-jäh) stoppen wollte -, könnte?

EU: Willkommen im Erdo-Merkelland!

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Korrespondent V. Schwenck: Opfer von Merkels Kuschelkurs gegenüber Erdoğan

„Der ARD-Fernsehkorrespondent Volker Schwenck ist am Dienstag bei seiner Einreise in die Türkei festgesetzt worden. Die türkischen Behörden verweigerten dem SWR-Reporter am Flughafen Istanbul die Einreise. Dem SWR zufolge wurden Schwenck keine Gründe genannt. Journalistenverbände forderten die sofortige Freilassung des 48-jährigen Korrespondenten.
„Endstation Istanbul“
Schwenck kam aus dem ARD-Büro in Kairo und wollte von Istanbul aus weiter in das türkisch-syrische Grenzgebiet reisen, um dort mit syrischen Flüchtlingen zu sprechen. Schwenck twitterte, ihm sei von den türkischen Behörden gesagt worden, es gebe einen Vermerk zu seinem Namen. „Endstation Istanbul. Einreise in Türkei verweigert“, schrieb er.
DJV: „Vorgehen reine Schikane“
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) rief die Türkei auf, den Korrespondenten ungehindert seine Recherchen durchführen zu lassen. Der DJV-Vorsitzende Frank Überall sagte: „Das Vorgehen der Behörden gegen Schwenck ist reine Schikane, die durch nichts zu rechtfertigen ist.“ Aus seiner Sicht räche sich nun das Entgegenkommen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im Fall Böhmermann.“ (heute; im Original sind nur die Überschriften fett gedruckt)
Wir gratulieren unser aller Mutti Biedermann zu ihrer suptertoll-erfolgreichen Einschleimpolitik gegenüber Brandstifter Erdogan!! Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben, dreimal hoch!!
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Merkel opfert Böhmermann aus Gründen guter „Staatspraxis“ II

Frog1(Strafverfolgung im Fall „Jan Böhmermann“: Statement von Angela Merkel am 15.04.2016, phoenix online, 15.4.2016)

(Marcel Joppa, Glückwunsch, Herr Böhmermann! – Wie Satire Merkel mundtot macht, SPUTNIK online, 17.4.2016)

(Thomas Walde, Berlin direkt, 17.4.2016)

(Nikos Kazantzakis, Die letzte Versuchung, Deutsch von Werner Kerbs, rororo5464)

Die Begründung:

„Ich möchte dazu gerne näher Stellung nehmen. Die Türkei ist ein Land, mit dem Deutschland eng und freundschaftlich verbunden ist: Über die vielen Menschen mit türkischen Wurzeln hier im Land, über enge wirtschaftliche Verflechtungen und unsere gemeinsame Verantwortung als Aliierte in der Nordatlantischen Allianz. Die Türkei führt Verhandlungen für einen Beitritt zur Europäischen Union. In dieser engen Partnerschaft sind gegenseitige, auch völkerrechtlich geschuldete Achtung ebenso wie der offene Austausch zu den Entwicklungen des Rechtsstaats, der Unabhängigkeit der Gerichte und des Meinungspluralismus von besonderer Bedeutung. Umso mehr erfüllen uns die Lage der Medien in der Türkei und das Schicksal einzelner Journalisten mit großer Sorge wie auch Einschränkungen des Demonstrationsrechts. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft auf allen Ebenen die Postulate von Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Pluralismus gegenüber der Türkei anmahnen. Wir treten dafür ein, dass bei unseren Partnern und Verbündeten die Freiheit der Meinung und die Unabhängigkeit der Justiz in gleichem Umfang gewährleistet sein müssen wie in Europa und anderen Ländern der demokratischen Welt. Wir setzen uns gegenüber anderen Staaten dafür ein, die Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Kunstfreiheit und die Pressefreiheit zu achten. Wir fordern ihre Achtung und ihren Schutz auch von der Türkei ein. Wir fordern das, weil wir von der Stärke des Rechtsstaats überzeugt sind. Im Rechtsstaat sind Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Kunstfreiheit und die Pressefreiheit elementar. Sie sind elementar für Pluralismus und Demokratie. Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. In ihm ist garantiert, dass die Verfahrensrechte des Betroffenen gewahrt werden. In ihm gilt die Unschuldsvermutung. Im Rechtsstaat ist es nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen. In ihm bedeutet die Erteilung einer Ermächtigung zur Strafverfolgung des speziellen Delikts der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten weder eine Vorverurteilung des Betroffenen noch eine vorgreifende Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit, sondern lediglich, dass die rechtliche Prüfung der unabhängigen Justiz überantwortet wird und nicht die Regierung, sondern Staatsanwaltschaften und Gerichte das letzte Wort haben werden. Genau in diesem und in keinem anderen Verständnis und genau in diesem und in keinem anderen Gesamtrahmen wird die Bundesregierung im vorliegenden, konkreten Fall hinsichtlich des Moderators Jan Böhmermann die von mir eingangs vorgetragene Ermächtigung erteilen. Darüber hinaus möchte ich Ihnen mitteilen, dass unabhängig von diesem konkreten Verfahren die Bundesregierung der Auffassung ist, dass Paragraph 103 Strafgesetzbuch als Strafnorm zum Schutz der persönlichen Ehre für die Zukunft entbehrlich ist. Wir werden deshalb einen Gesetzentwurf zu seiner Aufhebung vorlegen. Der Gesetzentwurf soll noch in dieser Wahlperiode verabschiedet werden und 2018 in Kraft treten. Vielen Dank.“

Eine recht merkwürdige Begründung.

  • Der Name des Antragstellers (Erdoğan) wird nicht genannt, verschwiegen. Der Name des zu Sanktionierenden aber ist genannt. Er wird vorgeführt, an den Pranger gestellt: Böser, böser Böhmermann!! – Das erinnert an das Verfahren gegen Jesus. Der feiste Kaiphas – von Kazantzakis als „dlck, gedunsen“ geschildert (362) – verlangt von Pontius Pilatus Jesus‘ Kreuzigung. Und der Römer antwortet:

„»Wenn er eure Religion kränkt, bestraft ihn. Ich wasche meine Hände. [Denn] Rom rührt er nicht an.«“ (361)

So sieht Merkel das wohl auch… Sie gibt das Unschuldslamm. Sie ist ja auch nicht angegriffen. Ich kann nix dafür!! Lasst mich in Ruh‘!! Ausbaden sollen’s die andern. Wie’s ausgeht, kann, könnte ihr letztlich wurscht sein…

  • … ist es ihr aber nicht. Sagte sie ihrem Schatziputzi, der beleidigten Oberwurst aus Hinteranatolien doch schon, dass der böse böse Böhmermann sich „bewusst verletzend“ verhalten habe. Na, wenn das keine, wenn auch nur politische Vorverurteilung ist…
  • Statt Erdoğan wird die Türkei als Beleidigte angesprochen. Und sie ist nicht irgendwer: Sondern wichtig! Mit ihr will frau es sich nicht vergraulen. Als Gründe genannt werden: erst Freundschaft, dann Migranten (potenzielle Wähler) dann Wirtschaft, dann Nato, dann EU (dann Flüchtlingskrise. Letzteres natürlich verschwiegen). Diesem Partner ist „völkerrechtlich geschuldete Achtung“ entgegenzubringen. Jawohl! Du böser, blöder Böhmermann!! Kusch gefälligst, du Hund!!
  • Das „Persönlichkeitsrecht und andere Belange [gelte es] gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen“. Was diese anderen Belange sind??

„Im Moment beobachten wir, dass die Bundesregierung und die EU zu Menschenrechtsverletzungen schweigen. Sie haben offenbar nur im Blick, die Flüchtlingskrise in irgendeiner Weise zu lösen.“ (Marie Lucas, Amnesty International)

  • Absurd: Lex Erdoğan als Auslaufmodell: Der Sultan ist wohl die letzte Person, die von Staats wegen eine Beleidigungsklage vor deutschen Gerichten anstrengen darf. Welch‘ Ehre!! Hosianna, dem Herrn und seiner huldvollen Herold-Mutti!!

Thomas Walde über die Bundesregierung:

„Feige und verklemmt ist ihr Umgang mit Erdoğan, dem Präsident“

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