Michel Houellebecqs Bezug zu Schopenhauer (Nietzsche und Comte)
(Michel Houellebecq, In Schopenhauers Gegenwart, Aus dem Französischen von Stephan Kleiner, Köln, 22017)
Was mit Nietzsches Bekenntnis zu Schopenhauer als Erzieher — der dritten unzeitgemäßen Betrachtung (1874) — einst begann, von Horkheimer unter Bezug auf Die Aktualität Schopenhauers (1960) fortgeführt wurde, findet nun also in Michel Houellebecqs Behauptung der Zeitgenossenschaft eine weitere Fortsetzung…
Für das Verständnis von Houellebecqs Romanen ist dabei vor allem das, den sechs Kapiteln vorgelagerte Bekenntnis bedeutsam. Kurz gesagt ist es Houellebecqs Denkweg:
Von Nietzsche zu Schopenhauer zu Comte
- Ausgangspunkt: Nietzsche
Zu Beginn gesteht Houellebecq:
„Was die Philosophie anging, wäre ich um ein Haar bei Nietzsche geblieben, obwohl unsere Beziehung eigentlich bereits gescheitert war. Ich fand seine Philosophie unmoralisch und abstoßend, aber seine Geisteskraft imponierte mir. […] in intellektueller Hinsicht musste ich mich ihm geschlagen geben.“ (8)
- Abkehr von Nietzsche und Zuwendung zu Schopenhauer
Die erste Erschütterung erfährt Houellebecqs Nietzsche-Begeisterung durch die Lektüre Schopenhauers;
- Abkehr von Schopenhauer und Zuwendung zu Comte
„etwa zehn Jahre später“ begegnete ihm Auguste Comte. Nun hieß die Frage:
„Schopenhauer oder Comte? Letztlich musste ich mich für eine Seite entscheiden, und so wurde ich schrittweise, begleitet von einer Art ernüchterndem Enthusiasmus, zum Positivisten und hörte damit sukzessive auf, Schopenhauerianer zu sein.“ (9)
Trotz der Zuwendung zu Comte ist für Houellebecq jedoch weiterhin
„Schopenhauers Geisteshaltung […] noch immer dazu geeignet […], allen nachfolgenden Philosophen als Vorbild zu dienen“. (10)
Dies ist der Grund für die Abfassung des vorliegenden Buchs.
Schopenhauers Einzigartigkeit: seine Methodik
Das Einzigartige, der Vorrang Schopenhauers besteht für Houellebecq darin, dass
„das Kernstück seiner [Schopenhauers] Philosophie, ihr wahres Grundprinzip, nicht dem Reich der Konzepte [entstammt]; es gründet ganz im Gegenteil auf einer einzigartigen Intuition, die ihrem Wesen nach künstlerischer Natur ist und vermutlich seit Mitte der 1810er-Jahre existiert.“ (34)
Kurz gefasst:
„das gesamte System [Schopenhauers] basiert [… auf der] Anwendung der Introspektion als metaphysische Untersuchungsmethode.“ (39)