B. Köpfer und P. Mathews: Leben im IS
(Benno Köpfer u. Peter Mathews, Kadir, der Krieg und die Katze des Propheten, Roman, München, 2016)
Wie in den meisten Romanen ist auch in diesem über die Organisation des IS wenig zu erfahren. Das ist erstaunlich bzw. schade, da einer der beiden Autoren, Benno Köpfer, laut Buchumschlag „als wissenschaftlicher Analyst beim Verfassungsschutz mit an der Bekämpfung islamistischen Terrors“ arbeite.
(Nebenbei sei angemerkt, dass einer der im Buch genannten Orte, Adapazarı, falsch (als Adaypazari) wiedergegeben ist, (130) obwohl über den zweiten Autor, Peter Mathews, gesagt wird, dass er „sich mit der Geschichte des Islam und der Türkei über viele Jahre beschäftigt“ habe…)
Über den auf syrisch-irakischem Boden real existierenden IS erfährt man/frau lediglich hinlänglich bekannte Gräuelgeschichten. Erwähnt, zum Teil detailliert erzählt werden insbesondere die Exekution mittels Köpfen und Kreuzigen, das Halten von (jesidischen) minderjährigen Sexsklavinnen und Kamikaze-Kampfeinsätze, an denen Freiwillige teilnehmen, zum Teil ohne zu wissen, dass sie zu Kanonenfutter auserkoren wurden…
Es ist zu vermuten, dass es die Absicht des Buchs ist, Jugendliche abzuschrecken: Auf dass sie sich vom IS und von den diversen salafistischen Koran-Exegeten und erfahren-erfolgreichen Rekrutierern – im Christentum werden diese Menschenfischer genannt – fernhalten und nicht auf des IS‘ (vornehmlich martialische) Propaganda hereinfallen mögen…
Das könnte gelingen: Denn die Radikalisierung des Protagonisten, Kadir, erfolgt zum einen (zwar fiktional, aber) plausibel und einfühlsam – durch Eintauchen in und Schreiben aus der Weltsicht eines „normalen“ (Durchschnitts-)Jugendlichen – auf seinem Weg, wie er sagt:
„vom Multi-Kulti-Kuschelkurs [ u.a. über Knast-Erfahrungen] zum Terrorismus“. (195)
Zum andern ist die Erzählung (pseudo-)faktisch nachvollziehbar, indem Bezüge u.a. zur mittlerweile verbotenen Organisation Die wahre Religion hergestellt werden: Die Erzählung der Radikalisierung spielt in deren Umfeld. Der Name Die wahre Religion wird dabei mehrmals wiederholt. (ab 42) Spärlich, aber immerhin angesprochen wird zudem die Aktion Lies! als – auch der Öffentlichkeit mittlerweile bekannte häufige – Zwischenstation auf dem Radikalisierunspfad. (259) Zudem werden weitere Organisationen wie Salafi Media (194) und Personen wie der (ehemalige) Rapper Abu Talha al-Almani (Denis Cuspert alias Deso Dogg), (63) sowie die Hassprediger Abu Dawud und Abu Ibrahim des mittlerweile verbotenen (Moschee-)Vereins Millatu Ibrahim erwähnt und in die Ausarbeitung einbezogen. (110)
Fazit:
Als Roman für Jugendliche wohl durchgehend spannend, grausig, aber auch kenntnisreich und informativ; doch halbwegs Vorgebildeten kaum/nichts Neues bietend…