Nida-Rümelin fordert stoizistisches Dulden

Julian Nida-Rümelin, Das Virus und die Stoa, Kulturzeit, Corona-Tagebuch mit Julian Nida-Rümelin, 30.4.2020

„Wir schaffen das“ war eigentlich Gabriels Idee, WELT online, 1.9.2016

        Also sprach der vom Staat für das Lesen und Schreiben von philosophischem Klimbim reichlich alimentierte und sich folglich — in Gegensatz zu manch anderem Bürger — weder um seine derzeitigen noch künftigen Einkünfte auch nur die geringsten Sorgen machen müssende Philosophie-Professor aus München frohgemut, beflissen-lächelnd in die Kamera:

Möchte mich der Frage stellen, ob die antike, genauer gesagt die hellenistische Philosophie und Lebenspraxis der Stoa, des Stoizismus eine Hilfe sein kann in dieser Krise.

Bravo! Darauf haben wir gewartet!

Denn in der Tat: wir sprechen ja von stoischer Ruhe, stoischem Gleichmut. Aequam memento in rebus arduis servare mentem, ist ein schöner lateinischer Spruch, der da lautet: Man bewahre Gelassenheit in schwierigen Situationen.

Bravo! Darauf haben wir gewartet!!

Und in der Tat, es gibt so eine Art neo-stoizistische Tendenz, schon seit vielen Jahren, das mag mit der Unübersichtlichkeit zusammenhängen, mit der Globalisierung, mit dem Gefühl des Kontrollverlustes.

Doch: sorget euch nicht!

Und manche Menschen reagieren darauf, indem sie umso mehr darauf achten, dass sie Selbstkontrolle über ihr Leben, über ihre Gefühle, über ihre Praxis bewahren und sich einfügen in eine größere Ordnung, in einen strukturellen Zusammenhang, den sie selbst befürworten können.

Kommet heim, ihr Wähler, ihr Sünder, ihr Untertanen… in den Schoß der Partei, von Mutter Kirche, des Staates…!!

Also ich denke, der Kern der Stoa ist genau dieses: Kontrolle zu behalten über das, was mein eigenes Leben prägt oder genauer, das, was ich beeinflussen kann; und gegenüber all den Dingen, die ich nicht beeinflussen kann, eine Haltung des Gleichmuts einzunehmen.

Die Stoa hat als eine zentrale Orientierung die ἀπάθεια [apátheia]. Das ist aber nicht apathisch, sondern das ist eher die Fähigkeit, sich von eigenen Leidenschaften und vom eigenen Leiden so weit distanzieren zu können, dass man dann nicht Gefangener, nicht Getriebener, nicht Abhängiger wird dieser Gefühlsregungen, dieser Impulse, dieser Emotionalisierung usw.

Also: duldet! und unterwerft euch! Die erste Bürgerpflicht ist Ruhe!!

Was wir gegenwärtig als Begleitphänomen der Corona-Krise erleben, ist ja auch eine große Verunsicherung: Verunsicherung der Menschen, die bei allem Vertrauen in die Regierungen

Vertrauet!

und in die Institutionen

Vertrauet!!

und in die Wissenschaft

Vertrauet!!!

doch letztlich nicht wissen, wie es weitergeht, die sich Sorgen machen um ihre wirtschaftliche Existenz.

Doch: sorget euch nicht! Duldet! und unterwerft euch!!

Die Stoa empfiehlt nicht, all dies nicht ernst zu nehmen. Ernst-nehmen ja, aber kritisch und vernünftig die verschiedenen Optionen zu prüfen und sich nicht von Augenblicks-Impulsen allzu sehr beeinflussen zu lassen.

Unterwerft euch! Die erste Bürgerpflicht ist Ruhe!!

Das ist die stoizistische Geisteshaltung. Sie hat sich in den Wirren des späten römischen Imperiums sehr bewährt und sie könnte sich in der Corona-Krise wieder bewähren.

        Duldet! und unterwerft euch!! Die erste Bürgerpflicht ist Ruhe!!!

        Auf dass all ihr verzagten Bürger, die ihr — im Gegensatz zur Beamtenschaft und Politikerzunft — nicht wisst, wie ihr die nächsten Monate überstehen sollt, nicht aufmüpfig werdet!, nicht aufbegehrt!!

Der eigens für euch von der Kulturzeit angeheuerte Staatsphilosoph verordnet euch wahrhaft belebende Medizin: Seid frohgemut, trotz Untergang! Hosianna! Und wenn das nicht hilft: Vertraut auf SPD und Mutti! Die GroKo wird ‘s schon richten. Erinnert euch an 2015: „Wir schaffen das!“ war das Credo: zuerst von Sigmar Gabriel, dann auch von Mutti, Pastorentochter der Nation.

        Und dann: werden Kohls „blühende Landschaften“ endlich überall in Deutschland sprießen. — Und wenn doch nicht hier, dann doch jenseits: im Paradies.

Also: duldet und hoffet, ihr Einfältigen! Denn nur euer ist das Himmelreich!

Der Populismus der GroKo: Der Fall Maaßen

An keinem anderen Vorgang aus dem letzten halben Jahr lässt sich deutlicher ablesen, wie Politik in Deutschland gemacht wird als am Fall Maaßen. An diesem Fall kann man/frau hervorragend studieren, wie

1)     die Gutmensch-Presse politisch relevante Aktionen filtert, politische Entscheidungen (subtil) vor-initiiert, je Gusto mal sanft, mal scharf kommentierend begleitet, umjubelt, was ihr gefällt, und abstraft, was ihr missfällt – und

2)     die Bundesregierung nicht selbstbewusst agiert, wie sie sollte, sondern stattdessen lediglich von Angst (vor dem Wähler) getrieben, verschreckt und duckmäuserisch RE-agiert.

Die (Chronologie der) Berichterstattung in den Tagesthemen zeigt dies paradigmatisch.

 

Auslöser:

Tagesthemen, 26.8.2018, 07.06-07.35

„NACH TÖDLICHEM STREIT Proteste im Zentrum von Chemnitz“

Nicht der tödliche Streit macht den Nachrichtenwert aus, sondern die Reaktion darauf.

„Im sächsischen Chemnitz sind mehr als 800 Demonstranten durch die Innenstadt gezogen

[Dies für sich ist kaum spektakulär genug: und eine Meldung wert, ABER:],

unter ihnen viele Anhänger der rechten Szene, so Medienberichte.

[Soll heißen: Zu diesem Zeitpunkt lagen den Tagesthemen keine gesicherten Informationen dazu vor. Im Klartext: Die Aufnahme dieses Vorgangs in die Tagesthemen erfolgte auf Verdacht hin, dass Anhänger der rechten Szene Böses taten: nämlich demonstrierten. Wären es Anhänger der linken Szene gewesen, so hätten die Tagesthemen dies wohl kaum thematisiert. Ist doch das Demonstrationsrecht ein Grundrecht –, aber natürlich nur, solange es nicht die rechten Bösmenschen in Anspruch nehmen (wollen). Ferner, allein, dass dies wahrscheinlich so passiert sei, begründete für die Gutmenschen der Tagesthemen dann bereits die (Pflicht zur) Berichterstattung. –– Anschließend geht es objektiv weiter, indem faktisch/objektiv berichtet wird:]

Zu den spontanen Demonstrationen war im Internet aufgerufen worden. Dabei gab es Rangeleien. Die Polizei verstärkte ihre Präsenz. Hintergrund sei der Tod eines 35-jährigen Deutschen in der Nacht zum Sonntag, so die Polizei. Er starb nach einem Streit, an dem mehrere Menschen unterschiedlicher Nationalität beteiligt gewesen sein sollen, so die Polizei.“

Zynismus pur: Nicht der Tod eines Menschen und nicht das zugrundeliegende Gewaltverbrechen ist beklagenswert, sondern (erst) die Reaktion darauf, weil sie – nicht von links, sondern – von rechts erfolgte. Die, die Wut zeigen, das sind die Wutbürger, die Bösmenschen. Die würden die Gutmenschen am liebsten inexistent machen, id est vernichtet sehen. Hierin sind sie sich mit den ach so süßen Koranjüngern einig. Was den einen die kuffār, die es zu vernichten gilt, sind den andern die scheiß Wutbürger.

Nur einen Tag später dann wird das Vorkommnis, das am Vortag nur im Nachrichtenblock (ab Minute 7 knapp eine halbe Minute lang) besprochen wurde, bereits Eingangs- und Hauptthema, mit dem sich die Tagesthemen nun fast 12 Minuten, mehr als die Hälfte der knapp 22 Minuten dauernden Sendung!! lang beschäftigen.

 

Tagesthemen, 27.8.2008, 0.16-12.08

„Am Wochenende hatte Chemnitz noch ein friedliches Fest zu seinem 875-jährigen Bestehen feiern wollen. Jetzt steht die Stadt im Mittelpunkt einer Konfrontation voller Gewaltpotenzial. Nachdem in der Nacht zum Sonntag ein 35-jähriger erstochen worden war und gestern spontan rechtsextreme Gruppierungen durch die Innenstadt zogen und offenbar

[Auch hier wird wieder ein Verdacht, der durch die Integration in einen Bericht zu einem Quasi-Fakt umstilisiert wird. Wenn Bösmenschen dies tun würden, würde die Gutmensch-Presse, Tagesthemen inklusive, augenblicklich fake news wittern. Doch Gutmenschen: Die tun so etwas Böses bekanntlich nicht. Nein, die sind doch die (sich selbst feiernden) Guten – über jeden (bösen) Zweifel erhaben.]

Ausländer attackierten, folgte heute ein Haftbefehl gegen zwei Tatverdächtige, einen Syrer und einen Iraker. Doch beruhigt hat das die Lage nicht, im Gegenteil. Am Abend gab es wieder Demonstrationen. Auf der einen Seite die rechte Bewegung Pro Chemnitz, darunter Rechtsextreme und Neonazis

[Liebe Zuschauer, falls ihr es noch nicht begriffen habt: Das sind die schlechthin Bösen.],

auf der anderen das Bündnis Chemnitz Nazifrei.

[Das sind die schlechthin Guten, ihr Zuschauer! Dazwischen gibt es nichts. Tertium non datur. Begreift das endlich und entscheidet euch! Seid links!]

Es kam zu Ausschreitungen. Laut Polizei gab es zwei Verletzte. [Welch imponierend große Anzahl!] Über eine Stadt im Ausnahmezustand“…

Ausnahmezustand? Bei zwei Verletzten?

Auffallend auch die Strukturierung in rechts versus links. Hier die Guten, dort die Bösen. So wird der Antagonismus, die Spaltung der Gesellschaft, der Zivilgesellschaft, hier der Demonstrierenden in Gut und Böse nicht nur festgestellt sondern auch festgeschrieben, zementiert.

„Ein paar hundert Meter weiter, getrennt durch Polizisten [von den Demonstranten der Gegenseite] demonstrierte das linke Bündnis Chemnitz Nazifrei. Von mehr als 1000 Teilnehmern berichten Beobachter vor Ort. [Wer genau? Das bleibt uns vorenthalten.] Darunter sind auch viele Chemnitzer, die Haltung zeigen wollen.“

Haltung zeigen ist also eine Zuschreibung der Tagesthemen-Macher an die Gutmenschen(-Seite). Nur die Linken, die Gutmenschen zeigen Haltung. Haltung sei per se Haltung gegen rechts, heißt das. Und rechts: das ist der Mob. Differenzierung? Fehlanzeige.

„Amateurvideos im Netz zeigen Personen, die Menschen anderer Hautfarbe jagen. Jagdszenen auf Chemnitz‘ Straßen.

[Hierzu ist zu sagen, dass immer und immer wieder dieselben 2 Kurzvideos gezeigt werden, auf denen man/frau lediglich erkennen kann, dass Personen herumlaufen bzw. vor anderen weglaufen. Vor wem sie weglaufen, so sie denn weglaufen, bleibt verschwommen. Mehr passiert nicht.]

Eindeutig die Reaktion der Bundesregierung: „Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens, anderer Herkunft oder der Versuch, Hass auf den Straßen zu verbreiten, das nehmen wir nicht hin, das hat bei uns, in unseren Städten keinen Platz, und, das kann ich für die Bundesregierung sagen, dass wir das auf das schärfste verurteilen.““ (Steffen Seibert)

Zusammenfassend kommentieren die Tagesthemen dann:

„Hetzjagden in der Chemnitzer Innenstadt, ein rechter Mob offenbar mit Bereitschaft zur Selbstjustiz“.

Die einen werden abgewertet: seien Mob und lynchbereit; die anderen werden aufgewertet: seien charakterstark, zeigten Haltung.

Und dann äußert sich der Verfassungsschutzpräsident. Endlich.

Doch anders als erwartet. Objektiv gesehen: Er opponiert gegen den Mainstream. Also: Er zeigt Haltung. Doch er opponiert gegen links, dieser Spielverderber! Und sofort ist die Aufregung auf Seite der sich als Gutmensch Feiernden groß.

 

Tagesthemen, 7.9.2018, ab Sekunde 16

„Was genau ist am vorvergangenen Wochenende in den Straßen von Chemnitz passiert? Die Ermittlungen zu möglichen Straftaten sind noch gar nicht abgeschlossen,

[Soll heißen: Er äußert sich zu früh, ohne Kenntnis, unbedarft, als Idiot.]

da meldet sich der Mann zu Wort, der qua Amt eine Autorität in Fragen der inneren Sicherheit ist und zweifelt mal eben in der Bild-Zeitung daran, dass es überhaupt Hetzjagden gegeben habe. Mehr noch: Ein im Internet kursierendes Video mit Jagdszenen sei eine gezielte Fälschung.

[fake news von links? DAS muss fake news sein!]

Das behauptet der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen, hat aber selbst weder Beweise vorgelegt, noch Zeugen benannt. Denn

[Liebe Tagesthemen-Macher: Es sollte Doch heißen. Denn Sie wollen doch einen Gegensatz konstruieren.]

die gibt es. [Wen denn?] Es gibt Aussagen [Von wem denn?], wonach Menschen mit ausländischem Aussehen in den Chemnitzer Straßen sehr wohl angegriffen und verfolgt wurden.“

So kommt es vorgeblich zur Irritation. Realiter jedoch haben sich die Tagesthemen schon längst ihr Urteil gebildet. Die behaupteten Hetzjagden von (den bösen, bösen rechten Inländern) diesem lynchbereiten Mob, auf die süßen, süßen Ausländer, insbesondere die süßen, süßen Flüchtlinge) sind Fakt. Punkt! Und Maaßen kuscht, bekennt sich und gesteht.

 

Tagesthemen, 11.9.2018, 0.37 – 1.06

Es „herrscht weiter große Irritationen über die Aussagen von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Der hatte ja zunächst der Kanzlerin in der Frage widersprochen [Majestätsbeleidigung! So was geht gar nicht!], dass es vor zwei Wochen in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe und angezweifelt, dass ein Video [Welches?] dazu authentisch sei, um dann in einem Brief an Innenminister Horst Seehofer umzuschwenken und diese Aussage zu relativieren: Er sei falsch verstanden worden.“ …

Und da nicht sein kann, was nicht sein darf, gilt es nun, den bösen, bösen Irritator, Idioten und Majestätsbeleidiger zu bestrafen.

 

Tagesthemen, 18.9.2018, 0.15-0.48

„Gehen oder bleiben? Darum ging es heute im Kanzleramt, als die Chefs der Regierungsparteien zusammensaßen. Und am Ende einigte man sich auf Gehen und Bleiben. Hans-Georg Maaßen muss als Chef des Bundesverfassungsamtes abtreten und tritt künftig als Staatssekretär im Innenministerium auf. Diese Karriereentwicklung besprach sein alter und neuer Dienstherr Horst Seehofer zuerst mit der Kanzlerin und später auch mit SPD-Chefin Andrea Nahles.“

Was in den Tagesthemen zunächst sehr nüchtern berichtet wird, wird einen Tag später kommentiert, bewertet: natürlich negativ bewertet, kritisiert. Maaßen, diese rechte Drecksau. In den Staub mit ihr/ihm!

 

Tagesthemen, 19.9.2018, ab Sekunde 19

„Am Ende eines Tages, an dem im Land mal wieder heftig über politische Beschlüsse diskutiert wurde und man das Gefühl nicht loswird: Gewonnen hat bei der gestrigen Personalentscheidung nur einer: Hans-Georg Maaßen selbst, also derjenige, der zwar als Verfassungsschutzchef gehen musste, dafür aber eine Etage weiter hochfährt und nun Staatssekretär im Innenministerium wird. In der Großen Koalition schiebt man sich gegenseitig die Schuld und Verantwortung zu für den, sagen wir mal, bemerkenswerten Karrieresprung, [Das hättet ihr auch wohl gern, ihr heuchlerischen Neider.] und viele Wähler sind vor allem eins: verärgert.“

Klar: Um vom eigenen Neid abzulenken, wird er als dem Wahlvolk eigen diesem suggeriert. Soll heißen: Wir Journalisten sind unschuldig. Es sind die Wähler. Schaut her! Wir geben lediglich die Stimmung wider. Zum Beleg werden Kurz-Statements von je zwei Passanten aus Hamburg, Köln, Leipzig und München eingespielt. Nicht zu plump, aber doch berechnend, ausgesucht. Erkenntnis ist Interesse geleitet. Doch nur im positiven Sinn, selbstredend. Habermas ist schließlich einer der Guten, ist links.

Und dann, endlich, reagiert die Politik und endlich so, wie gewünscht.

 

Tagesthemen, 21.9.2018, ab Sekunde 16

„Manchmal hilft es ja im Leben wie am Computer die Reset-Taste zu drücken, also nach vorne zu schauen und gleichzeitig wieder von vorne zu beginnen. In einem Brief an die Kanzlerin und den Innenminister bittet heute Andrea Nahles den Maßen-Deal von Mitte der Woche zu überdenken. Was heißt, lasst uns drei noch einmal zusammensitzen. Merkel und Seehofer haben nicht abgelehnt, und so dürfte es, was erstaunlich genug ist, wohl noch an diesem Wochenende ein zweites Treffen geben. Was aber zumindest genauso erstaunlich wie auch bedenklich erscheint,

[Ob die Tagesthemen hierin die eindeutig populistische Grundhaltung erkennen und sich deswegen bedenklich zeigen? Wird doch Populismus von der Gutmenschen-Presse a se rechts verortet]

ist, dass Nahles erklärt, die negativen Reaktionen aus der Bevölkerung zeigten, dass, Zitat, wir uns geirrt haben. Hat sie tatsächlich geglaubt, das Volk würde Beifall spenden?“

Paradigma einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung: Nicht sein kann, was nicht sein darf!

Nahles‘ Rückrudern und Forderung nach Neuverhandlung wird also eindeutig populistisch begründet.

Zwei Tage später dann berichten die Tagesthemen über deren Ergebnis, den neu gefundenen Kompromiss.

 

Tagesthemen, 23.9.2018, ab Sekunde 10

„In dieser Woche hat die Politik einige Dinge auf den Weg gebracht: ein Kita-Gesetz zum Beispiel oder mehr Geld für mehr Wohnungen und mehr Bauland.

[Wozu? Was soll das Positives bewirken? Was ist der Zweck?]

Diese Koalition arbeitet also [effektiv? und effizient?] und stand doch mal wieder kurz vor dem Zusammenbruch. Doch nun scheint der Bruch abgewendet, und eine gewisse [Bitte präziser!] Erleichterung darüber herrscht bei allen drei Parteien nach dem nachmittäglichen Gespräch im Kanzleramt. Hans-Georg Maaßen wird Sonderberater im Innenministerium und verdient keinen Cent mehr als bisher.

[Populistisches Zugeständnis an all die Neider im Land!]

Da hat man, so scheint es, beiden Seiten genüge getan. Seehofer entlässt Maaßen nicht und die SPD kann vorweisen, Maaßen hat seinen ursprünglichen Posten verloren und wird nicht befördert.“

So sehen gesichtswahrende Kompromisse aus. Die Politik macht vor, was die Tagesthemen-Vortragenden nicht einmal versuchen: Gräben überbrücken, statt sie festzuschreiben; Zusammenhalt erarbeiten und demonstrieren, statt Konfrontation aufzeigen und schüren.

„Keine halbe Stunde später [nachdem Seehofer die Einigung verkündete] nennt die SPD-Chefin die Einigung ein Signal, dass die GroKo öffentliche Kritik ernst nehme und sich korrigieren könne. Und jetzt, so Nahles: Ab an die Regierungsarbeit.“

Ein Appell für die Arbeit an konstruktiven Lösungen, statt mehr und mehr Verstrickung in destruktiven Schuldzuweisungen. Doch nur einen Tag später verkünden die Tagesthemen genüsslich Muttis populistisches Schuldeingeständnis.

 

Tagesthemen, 24.9.2018, ab Sekunde 54, nicht als Hauptmeldung

„Ein sorry, eine politische Entschuldigung ist bei der Kanzlerin ganz, ganz selten. Heute jedoch drückte sie ihr Bedauern aus: [Merkel:] „Wenn ich mich persönlich frage, dann habe ich mich im Zusammenhang mit der Entscheidung vom Dienstag zu sehr mit der Funktionalität und den Abläufen im Bundesinnenministerium beschäftigt, aber zu wenig an das gedacht, was die Menschen zu Recht bewegt, wenn sie von einer Beförderung hören; und dass das geschehen konnte, das bedauere ich sehr.“

Dem Druck der Straße nachgeben, das nennt man/frau gemeinhin Populismus. Schön, dass Merkel nun so freimütig einräumt, Populist zu sein, populistisch zu handeln!

Und dann, zum guten Schluss, tut Maaßen dem Triumvirat aus Merkel, Seehofer und Nahles auch noch den Gefallen: sich zum Abschuss selbst feilzubieten; ein Geschenk, das von Seehofer dankend angenommen wird.

 

Tagesthemen, 5.11.2018, ab Sekunde 16

„Nun also doch: Nach den Vorfällen in Chemnitz wäre beinahe die Bundesregierung an dem Streit um die Äußerungen von Bundesverfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen zerbrochen. Der wurde dann erst befördert, dann versetzt und heute nun doch vor die Tür gesetzt.

[Klammheimliches Frohlocken an der heuchlerischen Gutmenschfront.]

Innenminister Horst Seehofer, der sich erst vehement vor seinen obersten Mitarbeiter beim Bundesverfassungsschutz gestellt hatte, sah nun auch keinen anderen Weg mehr, als Maaßen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Nach giftigen Bemerkungen über seine Kritiker in einer Rede vor internationalen Geheimdienstchefs war er nun nicht länger haltbar.“

Ende gut, alles gut? Klappe zu. Affe tot.