Von Schirachs grandios neues Meister-Machwerk „Feinde – Gegen die Zeit“

Ferdinand von Schirach im Gespräch mit Wolfram Eilenberger über Die Feinde des Rechts, SRF, Sternstunde Philosophie, 10.1.2021

Ferdinand von Schirach, Feinde – Gegen die Zeit, ARD, 3.1.2021

Thomas Kirn, Trauer, Wut und Verachtung sind geblieben, FAZ online, 25.9.2012

Maximilian Haase, Kölner Jubiläums-„Tatort“: Gab es in der DDR spionierende Prostituierte?, zum Tatort „Der Tod der Anderen“, Weser Kurier online, 10.1.2021

Der Tod der Anderen, Tatort (aus Köln), ARD, 10.1.2021

Katja Weise, NDR Buch des Monats Januar: „Unheimlich nah“, NDR, 12.1.2021

Johann Scheerer, Unheimlich nah, München, 2021

Sophokles, Antigone, Übersetzt von Friedrich Hölderlin, Bearbeitet von Martin Walser und Edgar Selge. Berlin, 62017

Was wurde um den Spielfilm Feinde – Gegen die Zeit in der ARD für ein Aufwand betrieben! Er wurde vorab massiv beworben und nach der Ausstrahlung vielfach besprochen und kommentiert. Ist der Film doch Produkt eines „der erfolgreichsten Schriftsteller der Gegenwart“. (Begleittext zur Sternstunde) Und alles nur, um das TV-Publikum (nochmals) darüber aufzuklären, dass der deutschen Polizei Folter anzuwenden untersagt ist und unter allen Umständen unterlassen werden müsse.

Ausgangspunkt des Films ist der mittlerweile fast zwei Jahrzehnte (!!) zurückliegende Fall der Entführung und Ermordung des elfjährigen Jakob von Metzlers im Jahr 2002. Denn es begab sich Unerhörtes:

„Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner verfiel [damals…] zur Rettung des Kindes, für dessen Überleben er noch eine winzige Chance sah, auf einen in den Polizeiannalen bisher einmaligen Vorgang: Er ordnete die Androhung von Schmerzen durch einen Untergebenen an, er ordnete Vorbereitungen zum Schmerzzufügen an, er verlangte, dies solle unter ärztlicher Aufsicht geschehen, und er ordnete Nachforschungen über die Möglichkeit eines Wahrheitsserums an.“

Ferdinand von Schirach, der damals bereits (ganz Gutmensch) Stellung bezog und klar machte, dass die Anwendung von Folter unter keinen Umständen zu rechtfertigen sei, bekam, wie er in einem Gespräch mit Wolfram Eilenberger jetzt (!!) ausführte, u.a. Post von Leuten, die seine Rechtsauffassung nicht teil(t)en:

„Dass Leute aus einem ersten Impuls heraus denken: Wie kann man nur so kalt sein? Ja, wie kann man nur ein Kind den Prinzipien des Rechtsstaats opfern? Das ist eine verständliche Reaktion. Und ich dachte mir, vielleicht muss man das noch mal anders erzählen, diese Geschichte. Und auch klar machen, was die Folge dieser bösen Tat eigentlich ist, nämlich ganz am Schluss ist es die Folge, dass alle verlieren: der Rechtsstaat verliert, aber auch der Beschuldigte kann nicht verurteilt werden.“

Is‘ ja toll! — Warum von Schirach aber erst jetzt auf diese Vorgänge von anno dazumal reagiert, dazu schweigt er stille.

Und auch was mit dem Opfer, dem entführten Kind, geschieht, blendet sein Film, der ja laut Autor eine andere Erzählung des Ausgangsfalls intendiert, aus. Was aus der entführten Zwölfjährigen im Film wird, interessiert nicht.

Ganz anders im jüngsten Tatort-Krimi:

„Der bemitleidenswerte Norbert Jütte (Roland Riebeling) wurde gekidnappt und in ein Kellerverlies gesperrt, wo er jämmerlich zu sterben drohte, was der „Tatort“ in oft harten Szenen begleitete.“ (im Original kein Fettdruck)

Und was passiert, wenn der/die Entführte frei kommt? Was passiert mit den Familienangehörigen? — Johann Scheerer, der Sohn des entführten und nach mehreren Wochen erst freigelassenen Jan Philipp Reemtsma, der gerade seinen zweiten Roman über seinen Aufarbeitungsprozess veröffentlichte, der vom NDR zum Buch des Monats Januar 2021 gekürt wurde, meint:

„Ich glaube, dass der Prozess, sich überhaupt als Opfer zu sehen, in den allermeisten Fällen erst sehr, sehr lange nach dem tatsächlichen Verbrechen überhaupt anfängt. Wie lange es dauert, bis der abgeschlossen ist, ist, glaube ich, sehr individuell verschieden.“

Für den Gutmensch-Juristen von Schirach aber zählen nicht die Ängste und Qualen der Opfer. Die sind ihm scheiß egal. Ihm geht es nur um die eindeutig juristischen Aspekte: und zwar aus seiner Sicht auf das Recht. Das im Film Dargestellte ist bloß Mittel zum Zweck: Vorlauf zur und in die Rede des (in sich selbst verliebten) Anwalts: des Gutmenschen par excellence. Und so erzählt von Schirach in seinem Film denselben (fiktiven) Fall aus lediglich zwei Perspektiven, zwei Handlungssequenzen: aus der des absolut bösen Polizisten, weil der den vermeintlichen Entführer foltert(e), und aus der des absolut guten, arrogant-selbstgerechten Rechtsanwalts des vermeintlichen Entführers. So sind die Rollen von Gut und Böse von Anfang an clare et distincte eindeutig präzisiert und zugeordnet. Die dem Fall zu Grunde liegende Beziehung Entführer:Opfer verkommt in beiden Erzählungen zur bloßen Staffage. Selbst die Beziehung Polizist:Entführer ist rein funktional ausgeleuchtet und instrumentalisiert.

(Anders als z.B. in Doğan Akhanlıs lesenswertem Roman Fasıl, in dem er, der selbst gefoltert wurde, Folter aus Sicht des Gefolterten und des Folterers in zwei separaten Erzählsträngen gegen- und miteinander bespiegelt. Im Mittelteil des Buchs, in dem sich die beiden Stränge treffen, auf den sie vorlaufen und sich begegnen, sind die Namen derer auf transparentem Papier eingeblendet, die seinerzeit von der türkischen Militärjunta unter General Kenan Evren 1980/81 zu Tode gefoltert wurden. — Bislang ist dieses Stück nacherlebbar gemachter Geschichte leider nicht ins Deutsche übersetzt.)

Die holzschnittartig vorgetragene Film-Inszenierung von Schirachs hingegen dient nur dazu, auch dem letzten Depperl von Zuschauer für alle Zeiten die Gutmensch-Sicht einzubläuen, dass Folter im Polizeieinsatz prinzipiell unstatthaft sei und gar nie, nie nicht angewandt werden dürfe. Und so kulminieren die beiden Film-Erzählungen – die des Polizisten und die des Rechtsanwalts – denn auch in der Gerichtsverhandlung. In ihr wird der Entführer durch das durch den Rechtsanwalt dominierte Gerichtsverfahren aus seiner Rolle als Täter entbunden und sukzessive zum Opfer von Polizeigewalt umgewertet und ummaskiert; und statt des Entführers wird der Polizist auf die Anklagebank gesetzt. Auf dass allen erwartungsvoll vor der Glotze Sitzenden das Licht der TV-Moral aufgehe: Der Polizist ist der Böse! Der Verbrecher ist ein armes Opfer von Polizeiwillkür – habt Mitleid, ihr Zuschauer! – und ist — so die Moral von der Geschicht‘ — entsprechend auf freien Fuß zu setzen.

Von Schirach hätte sein Belehrungsstück freilich noch anders, z.B. als griechische Tragödie aufführen können. Dann aber wäre freilich der Vorführeffekt von Gut (Anwalt) vs. Böse (Polizist) nicht mehr haltbar gewesen. Denn, wie Martin Walser und Edgar Selge über Sophokles‘ Tragödie Antigone schreiben:

„Die Tragödie ist aber umso mehr Tragödie, je weniger einer der Handelnden einfach verurteilt werden kann. Das Stück ist umso mehr unser Stück, je mehr alle gegeneinander Handelnden uns für sich einnehmen können, uns gefallen können. Und uns auch gefallen wollen. Stimme und Gegenstimme sind hier nicht so weit auseinander wie Gott und Teufel im christlichen Kasperletheater.“

Doch von Schirach bezweckt etwas anderes: Er will gar nicht, wie er behauptet, zum Nachdenken anregen. Er will sein Publikum über Gut und Böse belehren. Er ist der Wissende, der TV-Kasperl, der Gutmensch vom Dienst schlechthin. Er ist es, der seinem Publikum sagt, was es zu wissen und zu befolgen hat. Merke: der Polizist ist der Böse! Jeder Polizist ein potenzieller Folterer! (So wie es einst pauschal-verallgemeinernd hieß: Soldaten sind Mörder!) Gutmenschen ist Differenzierung verhasst. Würde die doch ihren Absolutheitsanspruch unterminieren.

Von Schirachs Film ist folglich zu lesen als nur ein Mosaiksteinchen mehr, um das Gutmensch-Bild des bösen Polizisten, hier als Folterer, wie zuvor schon als Neonazi, Schläger, Rassist, etc. im Bewusstsein der TV-Konsument*innen nachhaltig zu verankern.

Wozu bloß nur…?

U. Krüger: Mainstream-nivellierter Journalismus in Deutschland

Frog1(Uwe Krüger: Mainstream, Warum wir den Medien nicht mehr trauen, München, 2016)

(Jörg Baberowski, Der Untersteller, ZEIT, 9.4.2015)

(Martin Walser, Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede, Frankfurt a.M., 11.10.1998)

Als Beginn, als „Katalysator“ der Vertrauenskrise der Deutschen in ihre Medien sieht Uwe Krüger die Berichterstattung über die Maidan-Bewegung in Kiew, die vom „November 2013 bis Februar 2014“dauerte (7) und bekanntlich zum Sturz „von Präsident Wiktor Janukowitsch“ führte. (7; im Original keine Hervorhebungen)

Krügers Vorwurf lautet: Die „deutschen Leitmedien“ hätten ein „Schwarz-Weiß-Bild“ gezeichnet, indem bestimmte, von Krüger (zum Teil detailliert) aufgezeigte

„Informationen [weit gehend ausgeblendet], deren Überbringer gern als «Putin-Versteher», wenn nicht gar «Verschwörungstheorieethiker» diffamiert wurden“. (13; im Original keine Hervorhebung)

Aus diesem (Ausgangs-)Fall formuliert Krüger seine These:

„das Wesen des Mainstreams in einer demokratischen Mediengesellschaft [scheint] zu sein: dass kritische Perspektiven und abweichende Meinungen durchaus einmal vorkommen [!!], aber keinen Einfluss auf die Folgeberichterstattung und die von Tag zu Tag fortgesetzte Erzählung der Geschehnisse in den Hauptnachrichtensendungen und großen Zeitungen haben.“ (14)

Nachfolgend versucht Krüger,

Gründe

für den Wandel des deutschen kritischen Journalismus zum Mainstream-Journalismus

aufzuzeigen.

1. Wertneutralität ist durch quantitativ unterschiedliche Nennung/Häufung außer Kraft gesetzt:

„«Medialer Mainstream» ist also zunächst einmal, ganz wertfrei, das Phänomen, dass zu einem Zeitpunkt die Mehrzahl der Leitmedien ein bestimmtes Thema behandelt oder eine bestimmte Meinung vertritt.“ (30)

2. Medienimmanenz/Selbstreferenz: Orientierung von Medien an andern Medien:

„Mainstream entsteht auch, wenn Medien sich an anderen Medien orientieren, an Nachrichtenagenturen wie der Deutschen Presseagentur (dpa), […] und Reuters, oder an den jeweils statushöheren Leitmedien.“ (41)

Grund der Aufgabe von Qualität: Mangelnde Zeit (Beschleunigung journalistischer Prozesse bei gleichzeitiger Ausdünnung von Redaktionen) und/oder mangelnde Bereitschaft/Anreize zu eigener Recherche:

„Eine Studie an der Universität Leipzig, in deren Rahmen 235 Journalisten bei der Arbeit beobachtet wurden, ergab, dass nur 11 Minuten am Tag für die Überprüfungsrecherchen, also für Quellenscheck und Faktenkontrolle, verwendet werden.“ (42; im Original keine Hervorhebungen)

Krüger nennt zudem eine Studie, der zufolge lediglich

2 Prozent der Texte […] vollkommen selbst recherchierte und angestoßene Initiativen fern der Termin-Berichterstattung“ waren. (51; im Original keine Hervorhebungen)

3. Abhängigkeit von Anzeigenkunden

Werbeeinnahmen im Printmedien-Bereich sind rückläufig.

„Redaktionen [nehmen daher] zunehmend Rücksicht auf Anzeigenkunden“. (54)

4. Die Konkurrenz der sozialen Medien

Den traditionellen Medien erwächst durch die sozialen Medien enorme Konkurrenz um die Aufmerksamkeit:

„Aufmerksamkeit verteilt sich neu, ist in soziale Netzwerke, Blogs, Wikis und Suchmaschinen abgewandert.“ (47)

5. Hinzu kommt eine „Art der Volkspädagogik“: (36) Dass sich Journalisten als Erzieher zum Guten verstehen:

Informationen sind Akte. Akte des International. Keine Information ist daher wertfrei:

„Die mediale Wirklichkeit ist kein simpler Spiegel der Welt, sondern eine Konstruktion.“ (37)

Diese Konstruktion erfolgt zum Teil zumindest auch aus erzieherisch-moralischen Intentionen.

Der „Pressekodex des Deutschen Presserates [mahnt z.B. …] eine verantwortungsvolle und diskriminierungsfreie Berichterstattung über Minderheiten“ an. (123; ; im Original keine Hervorhebungen)

Dem entsprechend sei

„in einer Verantwortungsverschwörung gemeinsam mit den politischen Spitzen des Landes [… Einvernehmen darüber erzielt worden,] über die Probleme des Flüchtlingsandrangs nicht offen zu debattieren.“ (124)

„die Journalisten betreiben womöglich verstärkt «Integration durch Konsens»“. (130)

Als Gewährsmann zitiert Krüger u.a. Jörg Baberowski:

„Nun haben die Untersteller die Ukraine für sich entdeckt. Ihre Welt ist eindeutig, sie kennen nur schwarz und weiß. In Kiew werden europäische Werte verteidigt, in Moskau werden sie mit Füßen getreten, in der Ukraine wird der Nationalstaat, in Russland das Imperium besungen. Für den Aufrichtigen kann es gar keinen Zweifel geben, dass Vorstellungen, die aus der Welt der Finsternis kommen, bekämpft werden müssen.“ (Baberowski, ZEIT)

Und:

„Verstehen heißt, den anderen beim Wort zu nehmen und zu versuchen, die Welt aus seiner Perspektive zu sehen. Daran aber findet der Untersteller keinen Gefallen. Für ihn gibt es nur eine Wahrheit, eine Vorstellung und eine Welt. Wer nicht so spricht wie er selbst, wird aus dem Diskussionsraum ausgeschlossen.“ (Baberowski, ZEIT)

Neu ist dieser Moralapostel-Habitus freilich nicht. Bereits Martin Walser rügte in seiner berühmt-berüchtigten Dankesrede „Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede“ anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 11.10.1998:

die „Meinungssoldaten [… die] mit vorgehaltener Moralpistole, den Schriftsteller in den Meinungsdienst nötigen“. (13)

6. (Power) Indexing

Der Begriff Indexing stammt, so Krüger, von W. Lance Bennett.

„Die großen Medien, so besagt die These, tendieren dazu, die Spanne der Meinungen und Argumente in der offiziellen politischen Debatte, also in Parlament und Regierung anzuzeigen, zu «indexieren». […] Besteht aber über ein Thema Konsens, so die Annahme, unterstützen die Medien die Regierungslinie.“ (60)

Diese Restriktion der Berichterstattung führt auch dazu, dass

„die Komplexität der Aufgabe enorm reduziert“ wird. (61)

Aus Indexing wird

„«Power Indexing». Das heißt: Anstatt eines Indizierens aller Meinungen innerhalb von Exekutive und Legislative wird reine Regierungsberichterstattung betrieben. […] Der journalistische Hintergedanke ist offenbar, jenen Akteuren den meisten Platz einzuräumen, die den mutmaßlich größten Einfluss auf das künftige Geschehen haben – die anderen erscheinen den Berichterstattern ebenso wie den politischen Entscheidern offenbar irrelevant. Eine Regel, die freilich den ohnehin Mächtigen noch weiter in die Hände spielt und die Ohnmächtigen noch weiter marginalisiert – und die den Journalisten nebenbei gute Beziehungen zu den Entscheidern sichert.“ (61)

7. Selbstreferenz durch (Power) Indexing

„die großen Medien [klammern sich] oft an die Deutungsmuster, die politische (und andere) Eliten vorgeben.“ (65)

„Journalismus fällt auf diese Weise als Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen regelmäßig aus – und nach dem bösen Erwachen gibt es dann stets ein bisschen Selbstkritik in Branchenmagazinen und auf Medientagungen.“ (66)

8. Personalauswahl: Homogenität der Redaktionsteams

„Da Journalisten in der redaktionellen Hierarchie […] per […] Berufung durch die Redaktionsleitung [aufsteigen], die wiederum von Verlagsentscheidern (die die Interessen der Eigentümer vertreten) oder Sendeanstaltsgremien (die de facto von Parteipolitikern dominiert werden) inthronisiert wird, sei die Zuspitzung erlaubt: Die Eliten suchen sich ihre Journalisten aus.“ (83f)

Auch für die Zusammensetzung von Redaktionsteams gilt zudem das

„«Homophilie»-Phänomen […]: Kontakt zwischen einander ähnlichen Personen kommt häufiger vor als zwischen einander unähnlichen.“ (101)

An den Journalismus-Schulen und in den Redaktionsteams dominieren „Mittelschicht-Kinder“. (82)

9. Tauschgeschäft: Information gegen Publizität

„Das Verhältnis zwischen Journalisten ihren Quellen ist eine Symbiose, bestimmt vom Tauschgeschäft Information gegen Publizität: Der Journalist bekommt Informationen und verschafft im Gegenzug seiner Quelle (oder deren Anliegen) Öffentlichkeit.“ (85)

„Wer Konsens herausfordert und anerkannte Glaubenssätze hinterfragt, der kann von informellen Informationsflüssen abgeschnitten werden, der ist politisch tot.“ (110)

Daher „dürfte [es] nicht selten vorkommen, dass Journalisten sich im Zuge ihrer beruflichen Sozialisation zunehmend selbst zensieren“. (111)

10. „Elitenhandeln“ (104) in Elitenimmanenz

Für „Elite-Journalisten“ (86) „des deutschen Prestige-Journalismus“ (92) — Chefredakteure, Zeitungsherausgeber… — gilt zudem: Sie sind parteiisch: Sie arbeiten als Lobbyisten – z.B.

„der Außenpolitik-Ressortleiter der FAZ, Klaus-Dieter Frankenberger (bis 2015) „als Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik“ – für die Regierung, „um das Meinungsklima in der Bevölkerung zu drehen.“(89; im Original keine Hervorhebungen)

Zudem sind Elite-Journalisten häufig in USA-freundlichen Organisationen tätig (gewesen) oder sind Ihnen positiv zugewandt. Z.B. engagierte sich

Stefan Kornelius, der das Ressort Außenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung leitet […,] Im Präsidium der Deutschen Atlantischen Gesellschaft.“ (93)

Josef Joffe, Mitherausgeber der Zeit“ unterhält Beziehungen zu 19 Organisationen. „Darunter die Trilaterale Kommission, die Atlantik-Brücke, das American Institute for Contemporary German Studies, der American Council on Germany und die American Academy in Berlin.“ (95)

Als weiteren Elite-Journalisten nennt Krüger den Chef Korrespondenten der WELT, Michael Stürmer. Die vier Genannten (Frankenberger, Kornelius, Joffe und Stürmer) sind sich u.a. darin einig,

„dass Deutschland das Bündnis mit den USA pflegen muss, um den Bedrohungen angemessen begegnen zu können.“ (98)

„Das Bild, das die vier von Konflikten und Bedrohungen zeichneten, war ebenso eindimensional wie das in den amtlichen Dokumenten und Doktrinen: Der eigene Beitrag des Westens zu Krisen und Konflikten wurde nicht reflektiert“. (99)

Zudem organisieren Journalisten „26 verschiedene Kreise“ für und mit der Politik, z.B. Berliner Presseclub, Wohnzimmer-Kreis, (107) Weiß-blauer Stammtisch, Chefredakteursrunde bei der Kanzlerin: (108)

„«Die Zugehörigkeit zu einem Kreis funktioniert als Statussymbol. Hintergrundkreise haben auch den Zweck, für das Berliner Milieu sichtbare Hierarchien zu strukturieren. Welcher Journalist wie wichtig ist, erkennt man daran, in welchen Kreisen er ist und welchen Zugang zu Politikern der hat», sagt Kommunikationswissenschaftler Jochen Hoffmann“. (109; im Original keine Hervorhebungen)

Fazit:

Auch wenn keine Gleichschaltung von außen zu beobachten ist, Journalisten neigen zu Konformismus (aus o.g. Gründen). Zudem sind nicht alle Gruppen der Gesellschaft (überhaupt bzw. angemessen)repräsentiert. Die Orientierung erfolgt primär an der Elite und ihren Interessen. Daher gilt:

„Das Problem, dass die Nutzer mit ihren Journalisten haben, ist vor allem ein Repräsentationsproblem.“ (103)

Doch das ist problematisch. Denn:

„solange «Mainstream-Medien» die PR-Erzählungen der eigenen Regierung und ihrer Verbündeten medial verstärken, anstatt sie zu demaskieren und deren blinde Flecken auszuleuchten, solange werden die Zweifel an ihrer Objektivität nicht verschwinden.“ (141)

Im Gegenteil: Sie könnten noch zunehmen…

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