(Stefan Schultz, Terror in Belgien: Verdächtiges Personal im Atomkraftwerk, SPIEGEL online, 23.3.2016)
(Ulf Lüdeke, „Schläfer in Atomkraftwerken warten nur darauf zuzuschlagen“, FOCUS online, 23.3.2016)
(Irak: Islamistische Rebellen sind in den Besitz von Nuklear-Material gelangt, Deutsche WirtschaftsNachrichten online, 10.7.2014)
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Stefan Schultz:
„IS-Kämpfer arbeitete drei Jahre in Doel
Im Oktober 2014 entdeckten Behörden, dass ein belgischer Dschihadist bis November 2012 für rund drei Jahre im Hochsicherheitsbereich des Atomkraftwerks [Doel] als Sicherheitstechniker gearbeitet hatte. Ilyass Boughalab, geboren im marokkanischen Tanger, war […] bei der Firma AIB-Vinçotte Belgium angestellt, einem externen technischen Dienstleister.
[…] Boughalab gehörte […] zur Sharia4Belgium, einer inzwischen gescheiterten radikalislamischen Terrororganisation […].
Im November 2012 sei Boughalab als Kämpfer für den „Islamischen Staat“ nach Syrien gereist, wenige Monate darauf sei er getötet worden. Als Sharia4Belgium der Prozess gemacht wurde, habe Boughalabs Name sogar auf der Liste der Angeklagten gestanden […].
Electrabel dementierte auf SPIEGEL ONLINE, dass Mitarbeiter externer Firmen wegen des Falls Boughalabs derzeit nicht an den Standorten Doel und Tihange arbeiten dürfen.
[…]
Sabotageverdacht und dubiose Drohnenflüge
Die Enthüllungen über Boughalab sind nicht der einzige beunruhigende Vorfall in einem belgischen Atomkraftwerk. Im August 2014 gab Electrabel eine Störung im Reaktorblock 4 des belgischen Kernkraftwerks Doel bekannt. An einer Dampfturbine im nicht-nuklearen Teil der Anlage hatte es eine Störung gegeben.
Eine oder mehrere Personen hätten rund 65.000 Liter Öl der Turbine auslaufen lassen, sodass diese sich überhitzt habe und automatisch stehen geblieben sei, hieß es. Der Reaktor musste letztlich für Monate vom Netz genommen werden. […] Die Staatsanwaltschaft Dendermonde leitete Ermittlungen ein. Bis heute ist der Fall nicht aufgeklärt.
Im Dezember 2014 meldete die Staatsanwaltschaft Drohnenflüge über dem Kraftwerk Doel, machte dazu aber keine näheren Angaben.
Verdächtiges Überwachungsvideo
Alarmiert sind die belgischen Behörden auch wegen sonderbarer Videoaufnahmen. Bei einer Hausdurchsuchung in Brüssel hatten Kriminalbeamte am 30. November 2015 eine Art Überwachungsvideo gefunden. Es zeigt den Leiter des SCK-CEN, eines belgischen Forschungszentrums für Kernenergie.
Das SCK-CEN stellt Radionuklide her – nukleares Material, das unter anderem zur Behandlung von Krebs eingesetzt wird. Es kann aber auch zum Bau einer sogenannten schmutzigen Bombe zweckentfremdet werden, mit der Terroristen ganze Stadtviertel nuklear verseuchen könnten. Das SCK-CEN deckt nach eigenen Angaben 20 bis 25 Prozent des Weltbedarfs an Radionukliden ab.
Das Video, das die Ermittler fanden, zeichnet genau nach, wann der SCK-CEN-Chef zu Hause ein- und ausgeht. Es wurde in der Wohnung der Ehefrau des mutmaßlichen Terroristen Mohamed Bakkali gefunden. Französische Ermittler glauben, dass Bakkali an der Vorbereitung der Attentate von Paris am 13. November beteiligt war.
Polizisten hatten in Bakkalis Wohnung im Brüsseler Stadtteil Schaerbeck Sprengstoffgürtel gefunden, an denen DNA-Spuren von Salah Abdeslam nachgewiesen worden. Abdeslam gilt als Hauptverdächtiger der Terroranschläge von Paris und war erst vorigen Freitag festgenommenen worden.
Unklar ist, warum ein mutmaßlicher Terrorist ein Überwachungsvideo vom Leiter des belgischen Recherchezentrums für Kernenergie besaß.“ …
Ulf Lüdeke:
„„Konkrete Hinweise“ für Anschläge auf Kernkraftwerke
Die Teilevakuierung der beiden Atomkraftwerke in Doel und Tihange, in denen normalerweise jeweils rund 1000 Menschen arbeiten, war schon kurz nach den beiden Anschlägen auf Flughafen und U-Bahnstation in der belgischen Hauptstadt bekannt geworden. „Die Nachricht hat mich sehr überrascht. Denn ganz offenbar sind sich die Behörden nicht mehr sicher, ob sich in den Reihen der Mitarbeiter der beiden Atomkraftwerke nicht schon längst terroristische Schläfer befinden, die nur darauf warten, zuzuschlagen“, so [Gerd] Rosenkranz, bei „Agora Energiewende“ für Grundsatzfragen zuständig. Das [Berliner] Forum erarbeitet mit energiepolitischen Akteuren Lösungsvorschläge, mit welchen Schritten der beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie praktisch umgesetzt werden kann.“