Irene Kosok über die Realität einer aus Gaza geflüchteten Christin

Thomas Thiel, Erwacht aus einem bösen Traum, FAZ, 2.4.2019, 9

Kaum zu glauben, dass es die nachfolgende Geschichte, erzählt von Thomas Thiel, die der Gutmensch-Ideologie radikal zuwiderläuft, trotzdem geschafft hat, in der gemäßigt gutmenschlich orientierten FAZ veröffentlicht zu werden. Das übliche Berichterstattungsklischee der ach so süßen und friedvollen Flüchtlinge bzw. des ach so frauenfreundlichen Islam wird in dieser Reportage gleich in mehrerlei Hinsicht massiv infrage gestellt.

1. aus der Betroffenenperspektive:
Zu Wort kommt eine a) nicht-muslimische, b) dem Islam kritisch gegenüberstehende c) Frau.

„Hayat kommt aus Gaza. Sie ist palästinensische Christin. […] Hayat heißt nicht Hayat. Aus Angst vor Repression und aus Furcht, ihren Duldungsstatus zu verlieren, will sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.“ (im Original kein Fettdruck)

Vielen Mitflüchtlingen ist es bereits unerträglich, dass es eine Frau überhaupt wagt, Rechte einzufordern:

Hayat „sagte, dass es sie traurig mache, wenn Frauen keine Rechte hätten. Sofort sei sie [von Mitflüchtlingen] attackiert worden. „Du erzählst Scheiße. Du machst uns schlecht. Frauenrechte sind nur für deutsche Frauen, nicht für unsere.““ (im Original kein Fettdruck)

Tja, ihr Gutmenschen, ihr habt ja sooo recht: Das sind lediglich Ausnahmen, Einzelfälle, selbstverständlich. Der Islam ist ja sooo frauenfreundlich…

2. aus der Helfer(innen)perspektive:
Zu Wort kommt Irene Kosok, Mitarbeiterin im THF Welcome. Sie

„Bekam mit, was geflüchtete Frauen im Tempelhofer Hangar, dem inzwischen geschlossenen Aufnahmelager, bewegte.“ (im Original kein Fettdruck)

 

„Irene Kosok kommt aus einem linken Milieu, sie hat viele Flüchtlinge jahrelang begleitet und muss jetzt erdulden, als Rassistin beschimpft zu werden. „Das Schlimmste ist“, sagt sie, „dass wir exakt den Falschen, den Fundamentalisten, helfen und ausgerechnet denen die Hilfe verweigern, die sich integrieren wollen.“ (im Original kein Fettdruck)

 

„Wie repräsentativ ist Hayats Geschichte? Es gibt darüber keine Statistik. Man kann es so sagen: Wer sie für einen Einzelfall hält, darf sich nicht mit ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern unterhalten.“

Keine Sorge: Gutmenschen tun so was nicht. Sie haben ihre vorgefasste Meinung. A priori wissen sie, was gut und was böse ist. Sie urteilen über die Realität, nicht aus der Realität. Sie sind Meta-Theoretiker, Schwätzer. Sie sitzen in ihrer Blase und quaken…

3. aus der Erzählperspektive:
Kosok:

„“Es muss an die Öffentlichkeit, es darf nicht totgeschwiegen werden. Ich ertrage diese Ignoranz den unschönen Realitäten gegenüber nicht länger.““

Damit ist Kosok zum Scheitern verurteilt: Nicht sein kann, was nicht sein darf. Dass es ihre Geschichte in die FAZ geschafft hat: Das ist der Einzelfall. Doch von nun an wissen wir, wo sie steht. Wir erteilen kein Schreibverbot. Nein, selbstverständlich nicht. Das haben wir nicht nötig: Es steht ja nirgends geschrieben, Nestbeschmutzern eine zweite, dritte… Chance geben zu müssen. Ignorieren reicht. Und ist sehr effektiv…

4. aus der Faktizitätsperspektive:
a) in der Heimat

Das von der Scharia geprägte Recht gilt in Gaza auch für Christen. Im Alter von 15 Jahren habe sie den Hijab tragen müssen, sagt Hayat. […] Für diejenigen, die das Kopftuch als Symbol für Selbstbestimmung der modernen Muslimin betrachten, hat sie eine Botschaft: „Diese Leute haben die Wirklichkeit des Islam nie erlebt. Wenn Sie glauben, dass Gewalt gegen Frauen zu ihrer Religion gehört, dann können Sie pro Kopftuch sein.““ (im Original kein Fettdruck)

 

„Ihr Exmann hatte die Nachricht von der Scheidung verbreitet. Sie war nun eine Geächtete. Ihre Familie wurde von Hamas bedroht. Du musst fliehen, sagte ihr Vater, sonst endet es für uns alle tödlich.“

b) in der Fremde: (z.B.) in Deutschland
Das Fortbestehen der Rollenmuster in der eigenen Familie vs. die Mär von der gelungenen Integration:

„Geschockt stellte sie [Hayat] fest, dass sich die Ansichten des Onkels nach siebzehn Jahren in Europa [!!] kein Stück geändert hatten.“

Das Fortbestehen der Rollenmuster im Flüchtlingswohnheim

„Im Auffanglager am Tempelhofer Flughafen bezog sie mit drei Frauen eine fensterlose Zelle.“ „Eine syrische Muslimin wollte den Raum nicht mit Hayat teilen. Sie sei eine Christin, habe einen bösen Geist. […] Mit der dritten, einer ägyptischen Ingenieurin, schloss sie Freundschaft.“

Die versuchte später, Selbstmord zu verüben: So geht‘s denen, die ausbrechen wollen, aber – aus vielerlei Gründen – nicht können…

Das Schlimmste für sie [Hayat] sei, sagt sie, in Deutschland dem gleichen Denken zu begegnen, das sie in Todesgefahr brachte, beschwichtigt und verharmlost von Politikern, Ämtern, Aktivisten und einer Asylindustrie, die Erfolgsstatistiken präsentieren will. In Rage bringe sie die Eitelkeit eines Milieus, dass [sic] sich Vielfalt auf die Fahnen schreibt, sich für die reale Lage der Flüchtlinge aber nicht interessiert, sie sogar als Rassisten und Nazis beschimpft, wenn sie über ihre Erfahrungen sprechen.“ (im Original kein Fettdruck)

In der von der deutschen Gutmensch-Ideologie geprägten Aufnahmegesellschaft ist für sie kein Platz. Die Pseudointellektuellen des Gutmensch-Lagers favorisieren die Parallelkultur. sie ist ihr weit angenehmer (da weit weniger fordernd) als Integrationskultur. Denn erstere baut und verwaltet sich selbst. Doch letztere fordert Engagement, Gegenseitigkeit und vor allem Konfliktfähigkeit. Und insbesondere Letzteres kennen Gutmenschen nicht: Sie leben in ihrem mittelalterlich-manichäischen gut:böse-Raster. (Auf der Suche nach einem Standort jenseits von gut und böse sind Moralisten par excellece keine geeigneten Reisebegleiter.) Vielleicht liebäugeln sie deswegen mit dem Islam. Der ist ja gleichfalls antagonistisch-scharf positioniert und sanktioniert gnadenlos jeglichen Abweichversuch.

5. aus der Beamten-/Verwaltungsperspektive
Die zunehmend zu beobachtende Resignation im Verwaltungsapparat…

“Das ist so bei denen. Das ist eine andere Kultur. Da können wir nichts machen“ – wie oft habe sie [Kosok] diese Sätze gehört, von Heimleitungen, Aktivisten, Politikern, Polizisten, wenn Frauen sich vergeblich von ihren Männern zu trennen versuchten, wenn sie geschlagen oder vergewaltigt wurden, sagt Kosok.“ (im Original kein Fettdruck)

6. aus der Anerkennungsperspektive
… mündet entweder in Gleichgültigkeit, sprich Standardisierung oder führt damit ggf. sogar zu höchst bedenklichen Urteilen mit entsprechenden Konsequenzen:
Kosok:

„Diese Frauen [die sich wehren] werden ausgebremst […] Sie landen in den Fängen des patriarchalen Islam. Das ist so absurd. Das glaubt man nicht.“

 

„Man mag es nicht glauben: Hayats Asylantrag wurde abgelehnt. Nach Monaten des Wartens bekam sie eine Standardabsage.“

Um das eigene Weltbild aufrechterhalten zu können, wird das Schicksal derer, die nicht in dieses Weltbild passen, ignoriert. Und letztlich werden die so dazu gezwungen sich anzupassen und klein beizugeben oder ihr Leben zu beenden… Doch Gutmenschen kennen keine Scham, wissen sie doch – über jeden Zweifel erhaben! – was gut und was böse ist.

7. aus Gender-Perspektive
Nicht die Geprügelte, sondern der Prügler gilt als schützenswert. (Tut er doch nur, was ihm vom Islam geboten wird: Der Prügler ist der Rechtschaffene, der Schuldlose; die Geprügelte ist das Opfer, das selbst schuld hat.) Merkwürdig ist, dass in der gleichzeitig stattfindenden me-too-Debatte die Schuldthematik von der selben Gutmensch-Clique exakt entgegengesetzt entschieden wird: Hier ist stets der die Frau erniedrigende Macho-Mann das personifiziert Böse.

Fazit Kosok

„Es würde mehr über diese Schicksale berichtet, wenn nicht jeder, der darüber redet, Rassist genannt würde, sagt Kosok. „Nach zwei Jahren stelle ich fest, dass sich diese Tendenz selbst bei vielen Helfern, die noch nicht entnervt das Handtuch geschmissen haben, zur Realitätsverleugnung gesteigert hat.“ Sie habe zwei Jahre gebraucht, um eine Realität zu begreifen, die ihrer [einstigen] Weltsicht komplett widersprochen habe.“

Allein mir fehlt der Glaube, dass Realisten wie Kosok in naher Zukunft mehr Gehör finden…

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